Texterklärung
Ganz schön harte Worte, die Jeremia hier an das Volk Israel richten soll. Gerade erst wurde er von Gott ermutigt und zum Propheten berufen. Jetzt muss er diese schmerzhafte Nachricht über Gottes Enttäuschung und seinen Zorn weitergeben. Keine leichte Aufgabe!
Vergangene Zeiten (V. 1-3)
In den ersten 3 Versen wird das Verhältnis zwischen Israel und Gott in zwei Bildern dargestellt. Israel als die Braut und Israel als der Erstling der Ernte. Gott erinnert sich an eine Zeit, in der das Volk ihm wie eine Braut gefolgt ist und hingegeben für ihn gelebt hat. Wie eine junge Braut ihrem Mann gefallen will, so wollte Israel Gott gefallen und ihm gehorchen. Das Volk wurde von Gott erwählt und er nannte es seinen Erstling – die erste Frucht, die Gott gehört (vgl. 5Mo 26,1-11). Gott war mit Israel in eine besondere Bundesbeziehung getreten, die er mit keinem anderen Volk eingegangen war. Gott erinnert sich an diese Zeit, d. h. sie ist vergangen. Jeremia beschreibt in den folgenden Versen, wie diese Beziehung eine negative Wendung nimmt.
Hat Gott etwas Unrechtes getan? (V. 2.4-8)
Große Dinge hat das Volk Israel mit Gott erlebt. Er hat gezeigt, dass er treu ist und sie versorgt. Er hat sie aus der Knechtschaft in Ägypten befreit. Er hat sie in das verheißene Land geführt, in dem Milch und Honig fließen. Deshalb stellt Gott die berechtigte Frage, was er denn Unrechtes getan haben soll. Denn bereits nachder Bundesschließung am Sinai kam es zum Verrat an Gott. Ein goldenes Kalb wurde errichtet und angebetet. Die Probleme und die Ablehnung Gottes haben also nicht erst in Jeremias Generation angefangen, sondern bereits in den vergangenen Generationen. Jeremia zeigt, wie die Ernte ausfällt, die bereits die Väter gesät haben. Niemand erinnert sich mehr an das, was Gott getan hat. Kein Wunder, wenn seine Wundertaten nicht weiter erzählt werden. Jeremia prangert an dieser Stelle vor allem diejenigen an, die eigentlich verantwortlich dafür waren, das Volk auf Gott auszurichten: die Priester, Lehrer, Hirten und Propheten.
Wie wichtig ist es doch, dass wir Gottes gute Botschaft an die nächsten Generationen weitergeben!
Von der Abwendung und Hinwendung (V. 9-13)
Nachdem Jeremia klargemacht hat, dass die Menschen Götzen statt Gott nachfolgen und damit dem Nichts hinterherrennen, fordert er die Israeliten zum Nachdenken heraus. Nicht einmal heidnische Völker geben ihre Götter auf. Wie konnte es also dazu kommen, dass ein Volk, das das Handeln des lebendigen Gottes erlebt hat, sich von ihm abwendet?
Jeremia unterstreicht dieses sinnlose Verhalten durch ein einleuchtendes Bild. Niemand, der Durst hat,
würde eine fließende Quelle mit ihrem frischen Wasser verlassen, um sich stattdessen Zisternen zu bauen, in denen man versucht, Regenwasser zu sammeln. Die toten Götter haben kein Leben und können kein Leben spenden, so wie Zisternen mit Rissen kein Wasser halten können. Das Verlassen des lebendigen Gottes und das Suchen anderer Götter sind zwei Sünden, die sich nicht voneinander trennen lassen. Der Mensch, von Gott geschaffen, kann nicht ohne Gott leben. Wenn er sich nicht Gott hingibt, lebt er hingegeben etwas anderes. Jeder betet etwas an.
Es gibt viele Dinge, mit denen wir versuchen können, unsere Sehnsucht zu stillen: Geld, Karriere, Luxus,
Beziehungen, Anerkennung. Doch was stillt unsere Sehnsucht nachhaltig? C.S. Lewis hat einmal geschrieben: „Wenn wir in uns selbst ein Bedürfnis entdecken, das durch nichts in dieser Welt gestillt
werden kann, dann können wir daraus schließen, dass wir für eine andere Welt erschaffen sind.“ Wir sind von Gott und für Gott erschaffen und nur in der Beziehung und Hingabe zu ihm finden wir wahre Erfüllung und ewiges Leben.
Das Drama der eigenen Schuld (V. 14-19)
Hat Gott Israel denn aus Ägypten errettet, damit es jetzt Sklave der kanaanitischen Machthaber ist? Jeremia deutet an dieser Stelle an, dass Israel sich nicht nur dem Götzendienst zugewandt, sondern auch Hilfe bei Heidenvölkern (den Ägyptern und Assyrern) gesucht hat. Vers 19 ist dramatisch: Ihre eigene Untreue ist der Grund für ihr Elend. Erkennen wir hier Parallelen zu unserer Zeit? Es führt zu Jammer und Leid, wenn wir uns von Gott abwenden. Doch Gott will uns zur Umkehr aufrufen. Er hat sein Volk und alle seine Menschen nicht aufgegeben und will, dass sie ihn erkennen, den einzigen und wahrhaftigen Gott.
Fragen zum Gespräch
- Wie können wir ganz praktisch Gottes gute Botschaft an nächste Generationen weitergeben?
- Wo versuchen wir, unseren Durst, unsere Sehnsucht und Leere zu stillen?
- Für wen oder was leben wir hingegeben?
Sabine Schlese