Texterklärung
Es gab für die Galater schon bessere Zeiten. Die ursprüngliche Leidenschaft für Jesus ist einer gesetzlichen Frömmigkeit gewichen. Statt der Freiheit und der Freude im Glauben, achten sie in ihren Gemeinden jetzt darauf, bestimmte Regeln einzuhalten. Während sie früher heidnische Regeln befolgten, richten sie sich nun nach den jüdischen Gesetzen. Alles steht auf dem Spiel, auch die Beziehung des Apostels zu seinen „Kindern im Glauben“. Deshalb wirbt er um sie in ganz persönlichen, liebenden Worten.
Der Irrweg der Gesetzlichkeit
Zunächst erinnert Paulus sie an ihr Leben ohne Gott: Das war ein erbärmliches Dasein in Sklaverei und Angst vor Mächten, die gar keine Götter sind (V. 8). Dann hatten sie Gott kennengelernt, sich ihm zugewandt und waren frei geworden. Kaum war der Apostel abgereist, waren sie unter den Einfluss jüdischer Vertreter und ihrer Gesetzesreligion gekommen. Paulus warnt sie und zeigt ihnen auf, dass das ein Rückfall ins „Vorher“ ist. Er bittet sie inständig, sich wieder Gott zuzuwenden und erinnert sie an die ersten Glaubensschritte, um sie damit zu Gott zurückzurufen. Wie ringt er doch um sie mit seiner ganzen Liebe!
Auch wir sind hier gefährdet! Wo lassen wir uns gesetzliche Verhaltensweisen aufzwingen? Wir wollen uns, wenn unser Gewissen belastet ist, Jesus zuwenden. Er hat uns erlöst und befreit. Lassen wir uns von ihm die Maßstäbe unseres Handelns wieder neu korrigieren, in der Stille vor ihm und durch sein Wort. Er ist unser Herr. Aber auch wir sind gerufen, um Menschen zu ringen. Nicht indem wir zeigen, wie vorbildlich wir sind, sondern wie wir trotz Versagen und Schuldigwerden durch Jesu Vergebung und Barmherzigkeit leben.
Das Glück erlebter Gemeinschaft
Der Apostel wird ganz direkt und persönlich (V. 12). Durch das Evangelium ist er vom Zwang des Gesetzes befreit worden. Darum konnte er den Heiden ein Heide werden. Persönlich steht zwischen ihm und den Christen Galatiens nichts. Dankbar erinnert er an die Aufnahme in der Gemeinde. Offensichtlich war er damals krank gewesen. Aber doch nahmen sie ihn auf. Sie haben nicht vor ihm „ausgespuckt“, eine Sitte, mit der man sich bei Kranken vor bösen Geistern schützen wollte. Sie hatten ihn als Boten Gottes angenommen. Doch jetzt? Er ist überzeugt: Sie werden verführt! Sie sind dabei, Jesus zu verlieren. Paulus kämpft um sie wie eine Mutter, die ihr Kind unter Schmerzen gebiert. Er möchte, dass Christus in ihnen Gestalt gewinnt (V. 19). Hier erzählt der Apostel sehr offen von dem gemein samen Weg mit den Christen in Galatien.
Manchmal ist das persönliche Beispiel stärker und wichtiger als ein logischer Beweis! Die Erinnerung an eine gemeinsame geistliche Geschichte kann für heute und morgen Türen öffnen und einen gemeinsamen Neuanfang möglich machen. Es ist wichtig, dass wir in kritischen Situationen nicht nur Argumente bringen, sondern auch bezeugen, was unser lebendiger Herr Jesus Christus uns geschenkt hat. Im Lichte des Evangeliums werden die Irrwege sichtbar, aber auch die Chance des Neuanfangs.
Das Leben als freie Kinder Gottes
Zuletzt bedient Paulus sich einer Allegorie, einer bildhaften Rede (ab V. 22). Am Beispiel der beiden Söhne Abrahams, bzw. anhand von Hagar und Sara (1Mo 16,15; 21,2.9), zeigt er zwei heilsgeschichtliche Linien. Die eine bleibt in der Knechtschaft, die andere führt zur Freiheit: Hagar versinnbildlicht die Ordnung des Verhältnisses von Gott und Volk, wie es auf dem Sinai begründet wurde und steht für das Gesetz. So wie die Geburt Ismaels nicht der von Gott verheißene Weg mit Abraham war, so hat auch das Gesetz nicht die Rettung gebracht. Sara jedoch steht für das Evangelium, für die neue, wahre, ewige Gemeinschaft, für das „Jerusalem, das droben ist“ (V. 26). Die Bestätigung „ihr seid Kinder der Verheißung“ (V. 28) betont den Ernst der Entscheidungsfrage: Wollt ihr euch wieder zu Sklaven machen? Geradezu jubelnd kommt Paulus zu dem Schluss: Wir sind freie Leute.
Auch wenn uns die Geschichte Abrahams und seiner Söhne nicht so nahesteht, ist die Konsequenz für uns klar: Gottes Verheißungen erfüllen sich, aber es gilt, auch darin zu bleiben. Machen wir uns das immer wieder bewusst: Wir sind durch Jesus freie Kinder, freie Söhne und Töchter Gottes. Selbst wenn wir angefeindet, belächelt und lächerlich gemacht werden (V. 29), können wir froh unseren Weg gehen. Denn diese Kindschaft Gottes kann uns niemand nehmen.
Fragen zum Gespräch
- Warum muss Paulus die Galater erneut ermahnen?
- Leben wir noch in der Knechtschaft des Selbstversuches (Gesetzlichkeit), um Gottes Anerkennungzu erlangen?
- Hat das auch Bedeutung für unser Leben in der Gemeinde bzw. Gemeinschaft?
Manfred Pfänder, Gemeinschaftspastor