Texterklärung

Der Abschluss des 1. Thessalonicher-Briefes hat ein bestimmendes Thema – die Gestaltung des gemeindlichen Zusammenlebens. Denn wie der Ausleger Werner de Boor es ausdrückt, haben wir „nicht eine Schar in lauter Halleluja und Wonne vor uns, bei der schon alles ‚ganz von selber geht‘ …, sondern ein sehr menschliches und alltägliches Gemeindeleben mit seinen Schwierigkeiten und Spannungen“.

Erkennt Leitung an (Vers 12+13)

Damals gab es noch keine feste Gemeindestruktur. Menschen haben nach ihren Gaben und Fähigkeiten Dienste übernommen und so Gott und der Gemeinde gedient, einige haben Leitungsaufgaben übernommen. Was Luther mit „vorstehen“ übersetzte, meint nicht ein Amt oder eine herausgehobene Position. Es sind vielmehr diejenigen, die sich um das Wohl aller sorgen und das Ganze im Blick haben. Und dazu gehört auch das Ermahnen. Das bedeutet „den Kopf zurechtsetzen“. Wenn daraus ein „Kopf abreißen“ wird, dann hat die Ermahnung ihr Ziel verfehlt. Denn es geht einzig darum, einem Menschen in Liebe zu helfen, wieder einen „Kopf für Jesus“ zu bekommen. Für den Dienst der Fürsorge und des Ermahnens braucht es ein Grundvertrauen und eine Liebe zu den Leitenden. Der Friede Gottes ist das Band dieser Gemeinschaft.

Übt Seelsorge untereinander (Vers 14+15)

Damals wie heute werden in einer Gemeinde ganz unterschiedliche Menschen zu einem Leib verbunden, weil Gott es so will. Es kann auch leicht geschehen, dass sich Gruppen – vielleicht das Gros der Gemeinde – Ziele setzen, um voranzukommen, zu wachsen und aufzublühen. Konzepte werden erstellt, Aufgaben vergeben und Aktionen geplant. Damit sind auch immer Erwartungen verbunden. Die Gemeinde gleicht dann eher einem Unternehmen als einer Familie.

Es ist sicher kein Zufall, dass hier gerade die Beachtung finden, die ein solches Vorgehen hindern: die Unordentlichen, die Kleinmütigen und die Schwachen. Sie haben es schwer in einer auf Erfolg ausgerichteten Gemeinde. Und genau deshalb werden sie ganz besonders der Fürsorge der anderen anbefohlen. Ist die Gemeinde Leib Christi, so ist sie es mit allen Gliedern!

Macht Gott zu eurem Weggefährten (Vers 16-18)

„Allezeit fröhlich“, „betet ohne Unterlass“ und „seid dankbar in allen Dingen“. Geht das denn überhaupt?! Unsere Erfahrungen sprechen wohl eher dagegen. Aber vielleicht liegt es daran, dass wir immer noch der Ansicht sind, unsere Beziehung zu Gott müsse geprägt sein von einem optimalen Funktionieren. Könnte es nicht sein, dass wir eher dazu ermutigt werden, in unserem ganzen Leben, zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Situation, mit der Nähe und Fürsorge Gottes zu rechnen? Ich muss nichts abarbeiten, sondern kann mein Leben teilen mit Gott. Aber eben so, dass es auf seinen Verheißungen gründet und nicht auf unseren Gefühlen, Erfahrungen, Erwartungen und Ängsten. Es geht darum, eine solche Haltung einzuüben, die sich der Gegenwart Gottes gewiss ist.

Gebt dem Geist Gottes Raum (Vers 19-22)

Wir Pietisten haben öfter eine etwas reservierte Haltung gegenüber dem Heiligen Geist. Vielleicht weil wir nicht so gerne die „Kontrolle“ über unser Leben aus den Händen geben. Ist uns klar, dass Gott uns einen Geist gegeben hat? Er ist in uns und will unser Leben prägen, sodass es gut ist für uns und andere. Was wäre, wenn wir öfter den Mut hätten, in echter Liebe und Wertschätzung in Situationen hineinzusprechen, weil Gott uns dazu ermutigt? So würde vielleicht manches im Lichte Gottes erscheinen, was wir niemals „ausleuchten“ könnten. Wir müssen keine Sorge haben, dass so Einzelne mit ihrem „ich habe den Eindruck von Gott“ die Gemeinde manipulieren. Wenn wir alle unsere Verantwortung wahrnehmen, dann wird alles geprüft und das Gute behalten.

Vertraut auf die Treue Gottes (Vers 23+24)

Es ist wohltuend, dass wir am Schluss wissen dürfen: Unser Gemeindeleben liegt in Gottes guten Händen. Er ist der Ursprung allen Friedens, er verändert uns hin zum Bilde Christi und er bewahrt den ganzen Christenmenschen unversehrt und untadelig für die Wiederkunft Christi. Das ist lebendige Hoffnung, das lässt uns zuversichtlich weitergehen – trotz aller Unwägbarkeiten, allem Vorläufigen und Unzulänglichen.

Fragen zum Gespräch
  • Welche Gedanken bewegen uns im Blick auf Leitung? Ist eine Sinnesänderung dran?
  • Wo liegt unsere Verantwortung im Blick auf die „Unordentlichen, Kleinmütigen, Schwachen“?
  • Wie würde ich Nachfolge beschreiben? Welchen Stellenwert hat dabei meine Leistung?
  • Wo erleben wir das hilfreiche Wirken des Heiligen Geistes?

Edmund Betz, Gemeinschaftsreferent, Creglingen

Viertel-Schtond
Die Viertel-Schtond zu 1. Thessalonicher 5,12-28 mit Matthias Hanßmann.
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