Texterklärung

Kapitel 4 knüpft inhaltlich direkt an Kapitel 3 an, in dem die Überquerung des Flusses Jordan erzählt
wird. Manches wird in Kapitel 4 nochmals wiederholt, sodass sich das Erzählte überlagert. Das unterstreicht die Bedeutung der Ereignisse: Der Durchzug durch den Jordan ist für das Volk Israel der letzte bedeutende „Meilenstein“ auf dem Weg ins verheißene Land. Das soll niemand im Volk je vergessen.

Nach dem Auszug folgt der Einzug

Fast ist der Weg ins gelobte Land geschafft. Und dennoch: Wie bei einem Einzug in ein Haus bleibt noch viel zu tun. Die kommenden äußeren Herausforderungen (z. B. die Eroberung von Jericho) sind hier gar nicht das Hauptthema. Vielmehr geht es um die innere Herausforderung: Wie richte ich es mir so ein, dass ich nicht den Bezug zu meiner Geschichte verliere? Wie gelingt es, dass die Grundkoordinaten des Lebens von Generation zu Generation weitergetragen werden und anerkannt bleiben? Das ist bleibend wichtig, gerade für die, die schon lange „zu Hause“ sind im christlichen Glauben.Nach dem Durchzug durch den Jordan geht es darum nicht gleich weiter mit der nächsten Aufgabe. Innehalten ist angesagt.

Gedenksteine – für mich selbst

Die Gefahr des Vergessens ist gerade bei der heutigen hohen Geschwindigkeit des Lebens real. Selbst bei
herausragenden Ereignissen verblasst irgendwann die Erinnerung. Die Zeit vom Auszug aus Ägypten bis zum Einzug ins verheißene Land war eine intensive Zeit mit Gott. Israel erlebt Wunder über Wunder. Wunder, von denen der Glaube weiter zehren kann – falls sie nicht in Vergessenheit geraten. Im Alten Testament ist die Erinnerungskultur darum fest verwurzelt. In den großen Festen, in den Psalmen, in vielfältigen innerbiblischen Bezügen wird die grundlegende Rettungsgeschichte Israels immer wieder thematisiert. Und hier nun auch in Form von Gedenksteinen.

Erinnerung an die früheren Wunder Gottes – das kann eine Hilfe sein in Dürrezeiten des Glaubens. Spielt solche Erinnerung in unserer Gemeindekultur und auch im persönlichen Glaubensleben eine ausreichend große Rolle? Dann kann sie zur Kraftquelle werden. Und eventuell auch einen wertvollen Gegenpol darstellen zum Bedürfnis, jeden Tag aufs Neue Gottes Wunder erleben und seine Nähe spüren zu wollen. Nicht dass es verkehrt wäre, damit zu rechnen. Aber eine zu starke Fokussierung auf die Erlebbarkeit Gottes birgt auch Gefahren.

Gedenksteine – für zukünftige Generationen

Josua lässt auf Gottes Anweisung hin Gedenksteine setzen. Auf der Westseite des Jordans entsteht ein Denkmal auf trockenem Boden (Vers 20). Vers 9 berichtet dazu von Steinen, die im Jordan aufgestellt werden. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass dort ein weiteres Denkmal errichtet wurde. Die Basis-Bibel übersetzt in Vers 9 daher mit „auch“. Warum Steine? Steine überdauern viele Generationen; sie sind auch dann noch da, wenn die Augenzeugen nicht mehr berichten können. Steine sind ein sichtbares Zeichen in Zeit und Raum. Man kann hingehen und zeigen: „Da war es!“ Je größer der zeitliche Abstand, desto wichtiger wird ein solches Denkmal. Genauso ist es auch in Josua 4 angelegt. „Wenn eure Kinder später einmal fragen“ (Vers 6, vgl. auch z. B. 2Mo 12,26; 5Mo 6,20) – die Steine werden zum Gesprächsanlass von Generation zu Generation.

Und solches Gespräch ist enorm wichtig. Denken wir einmal darüber nach, woher wir unser Glaubens-Wissen, unsere ethischen Leitlinien und besonders unser Grundvertrauen gegenüber Gott haben. Nicht wenige werden Eltern oder Großeltern und weitere Glaubens-Vorbilder nennen, die die Grundlagen des Glaubens gelegt haben. Dabei werden keine dogmatischen, theoretischen Glaubenssätze entscheidend gewesen sein. Nein, sie haben Erfahrungen weitergegeben, Geschichten erzählt – so wie in Vers 7 und 22-23. Kinder stellen Fragen. Wenn die Eltern dann keine Antworten mehr geben können,
ist der vielzitierte „Traditionsabbruch“ Realität. Gedenksteine können helfen, dass es nicht so weit kommt. Und schon lange helfen die alten Gemäuer von Kirchen und Klöstern vielen, wieder einen Bezug zum christlichen Glauben zu finden

Vorschlag für einen Einstieg
  • Steine als Anschauungsmaterial mitbringen. Oder Beispiele von echten Gedenksteinen (Denkmäler, Grabsteine, Kirchen- oder Klostergemäuer) auf Fotos sind gute Gesprächs-Starter.
Fragen zum Gespräch
  • Wo haben wir „Gedenksteine“ und „Erinnerungsorte“? Das können Denkmäler oder Bauwerke sein, aber auch Gedenktage, persönliche Gegenstände, ein Tagebuch.
  • Was hilft uns dabei, wichtige Erfahrungen mit Gott nicht zu vergessen, sondern als Meilensteine auf unserem Glaubensweg in Erinnerung zu behalten?
  • Wer hat mir die Grundlagen des Glaubens weitergegeben, meine Fragen beantwortet?
  • Wie kann ich dazu beitragen, den christlichen Glauben an die nächste Generation weiterzugeben?

Jörg Hapke, Pfarrer

Diesen Beitrag teilen