Texterklärung

Jesus hält eine lange Rede. Er spricht zu seinen Jüngern. Aber er tut es öffentlich, viele andere sind dabei (V. 1). Thema von Lukas 9,57-13,30 ist die Frage der Haltung zu Jesus: Was bedeutet Jesus für mein Leben? Das Beispiel, an dem die Frage hier erläutert wird, ist der persönliche Besitz. Einer, der dabeisteht, gibt das Stichwort. Es war üblich, sich mit Angelegenheiten wie der gerechten Verteilung eines Erbes an einen anerkannten Rabbi zu wenden. Dass ein Streit vorliegt oder die Bitte gar aus Habgier (V. 15) erfolgt, wird nicht gesagt.

Die falsche Frage zur falschen Zeit

Jesus ist hier nicht der verständnisvolle Zuhörer, als den ich ihn gerne darstelle. Ein Mensch stellt ihm eine praktische Frage. Und Jesus erklärt sich für nicht zuständig. Nicht immer sind die sogenannten praktischen Predigten die richtigen. Jene, die genau sagen, was man tun und was man lassen soll. Der Fragende hat nicht verstanden, dass Jesus nicht irgendein weiterer Lehrer von vielen ist (V. 14), sondern dass mit ihm eine ganz neue Zeit, ein neues „Reich“ (V. 31) begonnen hat. Ein neues Leben. Denn (V. 15) „auch wenn jemand im Überfluss lebt, so hängt sein Leben nicht von seinem Besitz ab“ (Basisbibel). Eine steile These für Menschen, die es gewohnt waren, mit einem Stück Land oder Fischerboot die Familie zu ernähren.

Wovon hängt das Leben dann ab? Von der Zuwendung Gottes. Darin ist kein Unterschied zwischen einem
Menschen und den Tieren (V. 24) oder Pflanzen (V. 27), auch wenn er anders als sie, die das nicht können, die Welt um sich herum nach seinen Ideen umgestalten und Besitz konservieren und vererben kann. Niemand bringt sich selbst zur Welt und keiner hat den Erdboden selbst erschaffen, der ihn ernährt. Alle hängen davon ab, dass Gott das Leben erhält (V. 30b).

Geschenkt

Jesus ruft zurück zur Konzentration auf Gott. Genauer: zum Vertrauen auf Gott. Denn Gott alles recht machen und sein Reich bauen, das wollten auch die Pharisäer, mit denen Jesus vorher gestritten hatte, weil sie dachten, das ginge am besten, indem man für alles eine Regel aufstellt (Lk 11,42). Jesus sagt: Das Reich Gottes könnt ihr nicht mit dem Einhalten von Regeln bauen oder verdienen, das gibt es geschenkt (V. 32). Es ist Jesu Auftrag, dieses Geschenk zu überreichen. Alles, was im Leben wirklich wichtig ist, gibt es geschenkt: Liebe, Glaube, ja, das Leben selbst (V. 25+26).

Sorgen sind nicht einfach da, Sorgen werden gemacht

Wer „sich Sorgen macht“, der macht wörtlich genommen für sich selbst etwas, was noch nicht da ist (sonst müsste man es nicht machen), und was er eigentlich gar nicht haben will. Es sei denn, man verliebt sich auch noch in die selbstgemachten Sorgen. Auch um das Reich Gottes muss man sich nicht „sorgen“, man kann es bestenfalls „suchen“, so wörtlich in Vers 31. Es ist eine Schatzsuche (V. 34). Auch einen Schatz verdient man sich nicht, sondern man findet ihn (vgl. Mt 13,44).

Armut und Reichtum

Wer einen Schatz findet, der kann auch großzügig sein (V. 33) und muss ihn nicht horten (V. 18). Über Armut reden, wie es jetzt viel geschieht, heißt immer auch über Reichtum zu reden. Das Wort „Geld“ kommt im Text nicht vor. Nicht das Geld an sich, sondern das Vermögen und aller andere Besitz ist im Blick: die aufgehäuften Lebensmittel des reichen Bauern oder das zweite Haus, das man zu nichts braucht als zum Vererben (Jes 5,8). Heute sagt man: die Ressourcen. Schon damals und heute erst recht geht es nicht um Knappheit (V. 16), sondern um Verteilung (V. 33). So auch schon in Lukas 11,41. „Almosen“, wie in Vers 33 in vielen Bibelübersetzungen steht, klingt herablassend. Wörtlich geht es um etwas, was aus Barmherzigkeit getan wird. Das ist konkrete Nachfolge: umverteilen, so wie Gott großzügig austeilt. „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“, sagt Jesus (Lk 6,36).

Fragen zum Gespräch
  • Kein Vogelhäuschen für die Sorge: Jetzt im Frühling werden die Vogelhäuschen abgebaut. Martin Luther sagte: „Dass die Vögel der Sorge und des Kummers über deinem Haupt fliegen, kannst du nicht ändern. Aber dass sie Nester in deinem Haar bauen, das kannst du verhindern.“ Wie baut man die Häuschen der „Sorgenvögel“ ab?
  • Was wäre das Gegenteil von „sich Sorgen machen“? Was könnte ich mir stattdessen machen? Gedanken, eine Freude …?
  • Was ist meine Frage, die ich Jesus immer wieder stelle, und mich wundere, warum ich keine Antwort
    bekomme?
  • Wo lernen wir Großzügigkeit? Das evangelische Jugendwerk in Württemberg hat dazu ein interessantes Projekt gestartet: www.geberlaune.org

Axel Rickelt, Pfarrer

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