Hinführung

Simson ist 20 Jahre Richter in Israel (Ri 15,20; 16,31). Der Wirkungskreis ist begrenzt auf das Lager des
Stammes Dan. „Der Herr segnete ihn und der Geist des Herrn fing an, ihn umzutreiben“ (Ri 13,24f.). Und wie! „Bei Simson ist es zunächst eine eigentümliche Unruhe und Unstetheit, die ihr Ziel aber … in Taten hat, die sich gegen den Landesfeind richten.“ (H. W. Hertzberg) Der Feind – damit sind die Philister gemeint. „Die Simsongeschichten sind ja gar nicht das, was man erbaulich zu benennen pflegt; es sind Krafttaten, ja Streiche“ (ebd.). Simsons Verhalten wirkt sehr rätselhaft. Zwischendurch erfährt der Leser, dass Gott dahinter die Fäden zieht.

Die Frau des Feindes

Warum treibt es Simson ins Lager des Feindes? Und dann verguckt er sich dort auch noch in ein Mädchen!
Seine Eltern sind nicht begeistert. Sie verstehen nicht, warum er ausgerechnet ein Mädchen aus einem Volk haben will, das keine Beschneidung kennt. Die Erklärung für den Leser: Die Eltern „wussten nicht, dass es von dem Herrn kam; denn er suchte einen Anlass gegen die Philister“. Ihr Widerstand scheint nicht groß zu sein, denn die Familie macht sich auf den Weg nach Timna, zur Familie des Mädchens. Und dabei geschieht Rätselhaftes.

Der Löwenbezwinger

Mit einem jungen Löwen, der ihm mit lautem Brüllen entgegenspringt, macht er kurzen Prozess. Mit bloßen Händen zerreißt er ihn, „wie man ein Ziegenböckchen zum Essen zerlegt“ (V. 6 in der BasisBibel). Unbeantwortet bleibt die Frage, wo in diesem Augenblick die Eltern sind. Rätselhaft ist, warum er es seinen Eltern nicht sagen will. Für seine Kraft gibt es eine Erklärung: „Der Geist des Herrn geriet über ihn.“ Eltern und Sohn treffen das Mädchen und Simson hat „Gefallen an ihr“. Gerne wüssten wir etwas über die Begegnung mit deren Eltern, über die getroffenen Vereinbarungen und den Rückweg. Wir lesen lediglich, dass er nach einigen Tagen losgeht, um seine zukünftige Frau nach Hause zu holen.

Er erinnert sich an sein Opfer und schaut nach dem Kadaver des Löwen. In dessen Körper hat sich ein
Bienenschwarm eingenistet. Er nimmt eine Wabe heraus und nascht von dem Honig. Als er wieder auf seine Eltern trifft, gibt er ihnen etwas davon ab, ohne zu verraten, woher er es hat. Erneut stellt sich die Frage nach dem „Warum“.

Das Rätsel

Die Hochzeit beginnt, so wie es im Orient damals üblich ist. Es wird gesungen, getanzt und gespielt. Dazu gehört auch, dass man sich gegenseitig Rätsel stellt. Und Simson hat tatsächlich ein Rätsel, das er in die Runde wirft! Eines, dessen Antwort nur er selbst kennt. Ist es zweideutig zu verstehen? Hertzberg meint: „Der Witz des Spruches liegt in seinem obszönen Nebensinn, der auf die Manneskraft des jungen Ehemannes abzielt.“ Simson ist siegessicher und täuscht sich dabei gewaltig. Der Wetteinsatz ist den jungen Männern zu hoch. Ihre Ehre steht auf dem Spiel. Ehre ist ein wertvolles Gut in orientalischen Gesellschaften – bis heute. Sie erpressen die Braut und drohen mit Brandstiftung und Mord. Sie packen sie bei der Ehre für das eigene Volk. Was bleibt ihr anderes übrig? Sie spielt mit den Gefühlen. Der vermeintlich Starke wird schwach und verrät ihr die Antwort. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass Simson auf Frauen hereinfällt. Kurz vor Ende der vereinbarten Frist von sieben Tagen antworten die Wettpartner mit zwei Gegenfragen. Ist das auch ein Rätsel, wie der Theologe H. Gunkel meint? „Dieses hintersinnige neue Rätsel kann nur beantwortet werden: Es ist die Liebe!“ Dem Besiegten ist klar, wem sie die Lösung verdanken: „Wenn ihr nicht mit meinem Kalb gepflügt hättet …“ Natürlich kann Simson seine Wettschulden nicht einlösen. Er hat keine dreißig Hemden und dreißig Feierkleider. Die holt er sich schließlich auf seine Weise. Wer es mit einem jungen Löwen aufnehmen kann, für den ist es auch kein Problem, dreißig Männer zu erschlagen! Erneut ist der Geist Gottes mit im Spiel. Rätselhaft bleibt schließlich, ob die Ehe der beiden zustande kommt. Simson verlässt ja die Feier, und die Frau wird einem der jungen Männer „gegeben“. Aber in Kapitel 15 lesen wir, dass er „seine Frau“ besucht. Er kommt mit dem Gedanken, mit ihr zu schlafen.

Fragen zum Gespräch
  • Ist Simson ein Held? Was macht einen Helden aus (s. dazu auch Kap 15 und 16)?
  • In Hebräer 11,32f. wird Simson unter die Glaubensvorbilder eingereiht. Ist das nachzuvollziehen?
  • Ist Mord zu rechtfertigen, wenn Simson vom Geist Gottes dazu ermächtigt wird? Kann Gott das wollen?
  • Was bedeutet das für den gegenwärtigen Gaza-Krieg?
  • Kann der Löwe ein Symbol für den Teufel sein? Der Kampf war in der Kunst bis ins Mittelalter hinein ein Bild für Jesu Tod am Kreuz. Ist er gar als Prophetie zu verstehen?

Jürgen Ziegler

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