Texterklärung

Das Lukasevangelium zeichnet den Um-Gang mit der Auferstehung Jesu als Weg-Geschichten, die den Vor-Gang der Auferstehung Schritt für Schritt nachzeichnend begreifbar machen. Zunächst finden die Frauen den Weg zum Grab und finden es leer vor. Verwegen scheint die Botschaft, die ihnen begegnet: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ Und trotz der Erinnerung an Jesu Worte, klingt ihr Bericht in den Ohren der Jünger wie leeres Geschwätz. Die zweite Weggeschichte geht einen Schritt weiter: Der Auferstandene begegnet nun selbst auf dem Weg, zunächst unerkannt und unverstanden, bis er sich zu erkennen, aber nicht zu fassen gibt. In der dritten Weggeschichte ist nur einer auf dem Weg: Der Auferstandene tritt mitten unter die Jünger! Und wie in der zweiten Geschichte bringt das Essen die Wende.

Weg-Geschichten bilden Weg-Gemeinschaft – im Zuhören dazugehören

Die beiden Weggefährten sind in mehrfachem Sinne unterwegs: von Jerusalem nach Emmaus – körperlich
und in Gedanken. Die Geschichten um Jesu Tod und Auferstehung, nicht zuletzt der Bericht vom leeren Grab beschäftigen sie. In ihrem Gespräch tauchen viele Fragen auf. Auch da sind sie unterwegs, ohne jede Zielperspektive einer Antwort, die schlüssig scheint. Unversehens und unerkannt tritt ein Dritter an ihre Seite. Er macht sich mit ihnen auf den Weg – zunächst im Mitgehen auf dem Weg nach Emmaus und dann bei der Suche nach einer Antwort auf all das, was in Jerusalem geschehen ist.

Anteilnahme sucht nach Anteilgeben – Mitteilen erfordert einen Weg

Die Frage nach dem Gegenstand des Zwiegesprächs ist alles andere als „dumm“. Sie öffnet behutsam den
Raum, sich dem Dritten zu öffnen, sich mitzuteilen, Gedankenwege zu teilen. Und die Verwunderung der beiden Gesprächswanderer ist alles andere als unverständlich: Denn erstens erkennen sie nicht, wer da an
ihrer Seite geht, und zweitens sind sie so in ihrer Gedankenwelt gefangen, dass ihr Gesprächsgegenstand allen bekannt erscheinen muss. Der entscheidende Punkt ihrer Gedanken: die enttäuschte Hoffnung auf Besserung der Lage, auf Erlösung. Gepaart mit dem unbegreiflichen Bericht vom leeren Grab und dem spurlosen Verschwinden des Begrabenen. War die Hoffnung nichts als bloße Täuschung? War alles Vertrauen auf diesen Jesus vergeblich, umsonst (das lateinische „frustra“ steckt im Wort „frustrierend“).

Worte allein genügen nicht – erst die Tat hat offen-sichtlich einen Wert

Der Auferstandene gibt sich alle Mühe, an dem Wissen der beiden anzuknüpfen. Doch nicht die Erinnerung an die bekannte und lieb gewordene Tradition bringt die Wende, sondern das Brechen des Brotes – eine wichtige Zeichenhandlung, die handfest werden lässt, was mit Worten allein nicht zu fassen scheint. Und doch scheint die Gegenwart des Auferstandenen – wenn zunächst unmerklich – gewirkt zu haben. Weshalb sonst hätten sie gebeten: „Bleibe bei uns!“ Und plötzlich wird aus der Abenddämmerung die Morgendämmerung einer neuen Perspektive: „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!“ Nun können die beiden wieder allein ihres Weges gehen, begeistert und beherzt. Der unwegsam-unwägbare scheinende
Weg der eigenen Gedanken und Schritte hat sich geweitet. Wie mag wohl der Rückweg verlaufen sein – mit diesem anderen Blick?

Die Weggeschichte als Wegweiser der Hoffnung – weg vom Trott der Resignation

Die Geschichte der Emmausjünger bleibt nicht bei ihnen allein. Hoffnungsgeschichten wollen geteilt und mitgeteilt sein, weil sie neue Wege öffnen, wo Wege festgefahren scheinen. Unverzüglich machen sich die beiden auf den Weg. Nichts mehr kann der Hoffnung den Weg versperren: Denn ihnen ist der „Herr“ begegnet – also der, dem alle Macht gegeben ist. Seine Auferstehung lässt aufstehen und aufsehen mit weitem Blick. Die Emmausjünger haben erlebt: Gott schafft Zukunft – er kommt auf uns zu, nicht irgendetwas oder nichts. Diese neue Sicht weckt Zuversicht. Auch wenn längst noch nicht alle Wege ohne Hindernisse sind: Der Herr ist dabei – er kann Wege ebnen.

Fragen zum Gespräch
  • „Von wegen“: Was trauen wir Gott zu angesichts der zahlreichen Fragen und Krisen – persönlich und
    in dieser Welt? Welche Vorbehalte haben wir, darauf zu vertrauen, dass für Gottes Möglichkeiten nichts unmöglich ist?
  • „Zur Hoffnung hin sind wir gerettet!“ (Röm 8,24): Worauf hoffen wir als Christen? Und was ist der Grund unsrer Hoffnung?
  • Hoffnungsgeschichten machen Geschichte: Inwiefern sind wir bereit, „Rechenschaft der Hoffnung zu geben, die in uns ist?“ (1Petr 3,15)?

Stefan Hermann

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