Konrad Eißler war Pfarrer an der Stiftskirche in Stuttgart und als Prediger ein Wortakrobat, der das Evangelium wie wenige auf den Punkt gebracht hat. Im April 2ß24 ist er im Alter von 91 Jahren verstorben. Im Folgenden veröffentlichen wir einen Ausschnitt seiner Predigt vom 13. März 1988 in der Stiftskirche.
Was regt mich an? Was treibt mich um? Was füllt mich aus? Was ist mein Leben? Paulus sagt: Christus ist mein Leben. Und Konrad Eißler folgert daraus: So wird der heutige Tag mein Chance, der morgige Tag mein Glück und der letzte Tag mein Gewinn.
Was regt mich an? Was treibt mich um?
Was füllt mich aus? Was ist mein Leben?
Einer sagt: Musik, nichts als Musik. Schon zum Aufwachen brauche ich heißen Kaffee und heiße Hits. Auf dem Weg zur Arbeit ist der Walkman mein treuster Begleiter geworden. Im Betrieb hat der Meister klugerweise das Radiohören erlaubt, denn “mit Musik geht alles besser, mit Musik wird alles gut.” Abends dauert die Concerttime mit meinen neuen Discs bis weit nach Mitternacht. Und am Wochenende toure ich zu den Auftritten der Stars. Musik regt mich an. Musik treibt mich um. Musik füllt mich aus. Musik ist mein Leben.
Ein anderer sagt: Sport, nichts als Sport. Schon als Bub kickte ich in jeder freien Minute auf dem Hof herum. Später war ich Libero in der Schulmannschaft und Ersatzmann im Verein. Als ich mich nicht mehr so plagen wollte, verlegte ich mich auf Tennis. Heute habe ich auch den Schläger aus der Hand gelegt, aber als Zuschauer bin ich noch aktiv, im Stadion, in der Halle, am Fernseher. Von Fußball und Handball und Tennis kam ich überhaupt nicht genug kriegen. Sport regt mich an. Sport treibt mich um. Sport füllt mich aus. Sport ist mein Leben.
Ein Dritter sagt: Wandern, nichts als Wandern. Schon mein Vater war ein Wandersmann. Zuhause hält mich nichts. Ich muss hinaus in die frische Luft. Wanderblut fließt durch meine Adern. Sonntags streife ich durch den Schönbuch oder über die Alb. An den verlängerten Wochenenden bin ich irgendwo in den Bergen, in der Schweiz oder in Österreich. Und im Urlaub gehe ich hoch hinaus, Tracking in den Karpaten, in den Anden oder gar im Himalajagebiet. Je weiter, je schöner, je höher, je besser. Wandern regt mich an. Wandern treibt mich um. Wandern füllt mich aus. Wandern ist mein Leben.
Und ein Vierter sagt: Fliegen ist mein Leben. Und ein Fünfter sagt: Lesen ist mein Leben. Und ein Sechster sagt: Essen ist mein Leben.
Christus regt mich an. Christus treibt mich um. Christus füllt mich aus. Christus ist mein Leben.
Konrad Eißler
Und Paulus sagt etwas ganz anderes. Seine Gedanken gehen in eine völlig andere Richtung. Ihm steht überhaupt keine Sache, sondern eine Person vor Augen. Dieser Apostel sagt: Christus, nichts als Christus. Schon als Theologiestudent beschäftigte ich mich mit ihm. Damals mobilisierte er als Feindbild meinen totalen Widerstand. Ich wollte seinen Namen annullieren und seine Person liquidieren. Deshalb jagte ich mit höchstrichterlichem Haftbefehlen durch das Land. Aber vor Damaskus wurde ich vom hohen Ross gestürzt und wieder auf den Boden der Tatsachen gestellt. Wie ein umgedrehter Handschuh zog ich meine Straße, direkt zu den Christen nach Antiochia. Dort wurde ich vom Geist Christi so gepackt, dass ich meine Siebensachen packte und als Missionar losgezogen bin, nach Kleinasien und Griechenland. Nicht immer klebte das Glück an meinen Stiefeln. Keineswegs marschierte ich nur mit Rückenwind. Ich bekam Ärger, bösen Ärger. In jenem Flecken zeigten sie mir die kalte Schulter. In jener Stadt warfen sie mich hochkant
zum Tor hinaus. In jenem Arrest legten sie mich in den Stock. Aber in jedem Augenblick war die Kraft Christi so stark, dass ich keine Sekunde schwach wurde. Und die Liebe Christi bewahrte mich vor unbedachten Reaktionen, die nur Schlimmeres heraufbeschworen hätten. Und die Hoffnung Christi schenkte mir auch im tiefsten Loch genug Licht und Zuversicht. Christus regt mich an. Christus treibt mich um. Christus füllt mich aus. Christus ist mein Leben.
Liebe Freunde, nichts gegen Musik; sie bereichert uns. Nichts gegen Sport; er kräftigt uns. Nichts gegen Wandern; das entspannt uns. Aber es ist noch einmal etwas ganz anderes, wenn dies alles die schönste Nebensache der Welt bleibt und die Hauptsache zur Hauptsache wird, nämlich: Christus ist mein Leben. […]
Quelle: https://crossload.org/inhalte/5QLuwDyNxd
Predigtmanuskript; nicht wortidentisch mit der Aufnahme