Impulse zur Jahreslosung 2023

Die Jahreslosung führt uns in eine ungewöhnliche Familiengeschichte hinein. Gleichzeitig begegnen wir dem Herrn, der ohne Ansehen der Person Menschen ansprechen und segnen kann. Am Anfang steht tiefe Not: Kinderlosigkeit. Gar nicht so selten in der Bibel und auch nicht in unserer Gesellschaft. Eine tiefe Wunde, die kaum heilen will, so erzählen manche.

Gewartet

Im Besonderen gilt dies wohl für das Ehepaar, das mit Blick auf die Familienplanung eine ungeheure Verheißung empfangen hat: So zahlreich wie die Sterne! Doch 10 Jahre später kann davon noch keine Rede sein. „Mir hast du keinen Nachkommen gegeben“, räumt Abraham vor Gott ein. Und wieder bestärkt ihn der Herr, seinem Wort zu vertrauen.

Gehandelt

Sara dagegen handelt, weil ihre „biologische Uhr“ abgelaufen ist. Sie macht es nicht wie die Frau ihres Enkels Jakob, die ihrem Mann ein Ultimatum gesetzt hat: „Schaffe mir Kinder, wenn nicht, so sterbe ich“ (1Mo 30,1). Aber Saras Vorgehen ist nicht minder weitreichend. Sie deklariert ihre Magd zur Leihmutter im sicheren Bewusstsein, dass deren Kinder rechtlich der Herrin gehören und als vollberechtigte Glieder der Familie angesehen werden. Und was für eine Überraschung: Abraham willigt ein und verhält sich wunschgemäß.

Geflüchtet

Erst jetzt kommt Hagar, die Magd, in den Blick. Hagar bedeutet „Flucht, Fremdling“. Und tatsächlich, sie macht ihrem Namen alle Ehre und sucht das Weite, nachdem ihre Schwangerschaft nicht nur Freude und Erleichterung bereitet hat. Der Streit der Frauen ist entfacht.
Manche würden sagen: Soll sie doch fliehen, nächster Versuch! Doch der Herr sieht das ganz anders. Das Kind, das Hagar unter dem Herzen trägt, ist sicher nicht die Antwort auf das Versprechen an Abraham: „Der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein.“ Dieses Kind wird nie Erbe sein. Und dennoch ist Ismael ein Geschöpf Gottes, genauso wie jeder Mensch, der auf sein eigenes Leben blickt, sich sehen darf. Mit Blick auf Hagar und Ismael dürfen wir außerdem festhalten: Der Herr möchte Mutter und Kind bewahren und um Abrahams willen segnen.

Gefunden

Hagar brennt also durch. Wohin rennt sie? Sie stammt aus Ägypten (1Mo 25,12) und läuft in Richtung Schur durch die Wüste. Sie ist auf dem Weg, der alten Heimat entgegen. In großer Not wollen Menschen nach Hause. Offensichtlich irrt Hagar allein umher. Alles scheint besser, als die Demütigungen der Herrin ertragen zu müssen. So findet sie nun der Engel Gottes. Er hat sie wohl kaum suchen müssen. Und doch ist dieses „finden besonders. Der Herr sucht, was verloren ist. Jesus Christus hat den Blindgeborenen gesucht, weil er gehört hat, dass sie den Mann ausgestoßen haben, den er kurz vorher geheilt hat. „Glaubst du an den Menschensohn?“, so hat Jesus ihn dann gefragt und damit die nächste, weit wichtigere Heilung eingeleitet (Joh 9,35).

Geholfen

Hagar wird vom Engel in der Wüste gefunden. Der Herr eilt herbei, obwohl ihn niemand gerufen hat. Die ägyptische Magd ist nicht plötzlich fromm geworden. Sie kannte den Gott Abrahams höchstens von den Berichten ihrer Herren her. Vielleicht hat sie sich auch gewundert, wie jemand so gottesfürchtig sein kann und gleichzeitig so warten muss. Egal, der Herr hilft, weil er nicht allein auf Gebet reagiert, sondern auch dann, wenn jemand keine Kraft zum Beten und Vertrauen mehr hat. „Der Herr hat dein Elend gehört.“ – Unsere Not kann offensichtlich von ihm gehört werden. Unsere Anfechtungen, unser ganzes Schicksal, unsere Schuld hat vor Gott eine Stimme.

Bin auch ich ein „Findelkind“, jemand, den er finde muss, weil mein Elend zum Himmel schreit? Mir wäre
es eigentlich zu wenig, allein darum zu wissen, wie es die Jahreslosung zeigt: Gott sieht dich. Viele Menschen sehen uns und es löst nichts aus. Der Herr aber sieht und findet, spricht und handelt. Und er stellt in seinem Wort Fragen wie die des Engels: „Wo kommst du her und wo willst du hin?“ Der Herr zeigt echtes Interesse an meinem Leben und er möchte, dass ich keinen Schaden nehme und den richtigen Weg finde. Hagar ruft er zur Umkehr. Sie soll zurück zu Abraham und Sara gehen, ihr Kind zur Welt bringen und erfahren, dass der Herr auch einer Magd eine gewaltige Verheißung schenken kann.

Fragen zum Gespräch
  • Der Engel findet Hagar bei der Quelle, also eigentlich gut versorgt. Wie erkennen wir, dass wir trotz guter äußerer Umstände dennoch auf dem falschen Weg sein können?
  • Hat jemand eine Ahnung, wie wir kinderlosen Ehepaaren eine echte Hilfe sind?

Hermann Josef Dreßen, Studienleiter

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