Texterklärung

Für einen Juden ist bereits Matthäus 1,16 eine unglaubliche Feststellung in einem Stammbaum, wo es eben nicht heißt: Josef zeugte Jesus. Josef ist hier lediglich der Mann der Maria, nicht aber der Vater Jesu Christi. Ein Kind von Gott selbst gezeugt, ein einmaliger Fall in der Geschichte der Menschheit (bei Adam war es anders, trotz des Hinweises „der war Gottes“ in Lk 3,38). Auch die Überschrift „Jesu Geburt“ in der Lutherbibel ist auffallend. In der Elberfelder wird das griech. Genesis nicht mit „Geburt“ sondern mit „Ursprung“ übersetzt. Es ist wohl auch kein Zufall, dass Matthäus Genesis verwendet, um eine direkte Beziehung zur Genesis als dem 1. Buch Mose herzustellen. Paulus liefert im Römerbrief eine gute Erklärung für diese doppelte Verwendung: „Denn wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen zu Sündern geworden sind, so werden auch durch den Gehorsam des Einen die Vielen zu Gerechten“ (Röm 5,19).

Gott wird Mensch

Im Apostolischen Glaubensbekenntnis bekennt die christliche Gemeinde: „Empfangen durch den Heiligen
Geist, geboren von der Jungfrau Maria.“ Ein Wunder könnte man sagen und eigentlich doch nicht. Denn fast jede Aussage unseres Credos stellt ein göttliches Wirken dar, das sich unserer menschlichen, rationalen Denkweise völlig entzieht.

C.S. Lewis hat einmal zur Jungfrauengeburt gesagt: „Einmal wurde der große Handschuh der Natur von seiner Hand abgestreift. Seine bloße Hand berührte sie.“ Lewis wollte ausdrücken, dass Gott durch die Jungfrauengeburt einen Menschen geschaffen hat, der Gott selbst ist. Keine normale Geburt, kein normaler Ursprung – es ist das Geheimnis der Menschwerdung Gottes. Um das vorzubereiten und Gottes Volk auf dieses Ereignis einzustimmen, hat der Herr durch den Propheten Jesaja angekündigt: „Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären“ (Jes 7,14). Der Engel Gottes nennt Josef gegenüber diese Bibelstelle. Und auch für Maria, wahrscheinlich Tochter eines Priesters, könnte diese Verheißung eine echte Glaubenshilfe gewesen sein. Zusätzlich erhält sie durch den Engel Gottes noch den liebevollen Hinweis auf die Schwangerschaft ihrer Verwandten Elisabeth, die auch eine „unmögliche“ Geburt erwarten durfte (Lk 1,36).

Josef, der Ehrenmann

Josef wusste wohl nichts über den Hintergrund der überraschenden Schwangerschaft seiner Verlobten. Er hatte sie noch nicht „heimgeholt“ und die Ehe vollzogen. Aber nach jüdischem Recht war Maria durch die Verlobung schon eine verheiratete Frau. Wegen Ehebruch drohte ihr damit nach 5Mo 22,20f. die Steinigung. Darum denkt Josef über das Verlassen seiner Verlobten nach, was einer Scheidung gleichkam. „Heimlich“, anders übersetzt „ohne Nennung von Gründen“ will er gehen. Er will nicht beschuldigen und konfrontieren. Er will seine Verlobte verlassen und damit wohl schützen. Jedoch wäre die gesellschaftliche Ächtung für beide unausweichlich, auch wenn es nicht zu einer Bestrafung für Maria gekommen wäre.

Jesus, der Retter

Der Engel des Herrn klärt Josef über das bevorstehende Wunder auf und eröffnet sein Reden mit Worten, die der verheißene Sohn Gottes später oft verwenden wird: „Fürchte dich nicht.“ Niemand ist schuldig geworden. Josefs Aufgabe beschreibt der Engel nun klar und deutlich. Als Sohn Davids soll er dem Kind einen bedeutsamen Namen geben: Jesus / Josua, was „Gott hilft“ bedeutet. „Er wird sein Volk retten von ihren Sünden“ – so lässt sich von Anfang an das Wirken Jesu umschreiben. Er rettet sein Volk, natürlich Israel und nicht weniger entschlossen die Völker dieser Welt (Mt 28,18f.; Joh 10,16; 17,20; Röm 9,24). Die Schuldfrage steht also an erster Stelle, die Machtfrage kommt nicht einfach später, sondern sie ist eng verbunden mit der Befreiung von Schuld.

Als Josef aufwacht, da wird ihm wohl bewusst: Das war nicht einfach nur ein Traum, das war und ist real,
Gott handelt in unserem Leben. Er vertraut und stellt sich klar zu Maria. Er weiß nun um die wahre Identität Jesu und nimmt ihn wie einen Sohn an. Der Weg zum wahren Leben ist so einfach zu finden: Erkennen, wer Christus ist und ihn annehmen als Herrn und Erlöser. So beginnt es und wird nimmermehr enden.

Fragen zum Gespräch
  • Die Jungfrauengeburt ist einmalig. Wollen und können wir darüber reden?
  • Mit seiner Menschwerdung verändert Jesus als Gottes Sohn seine eigene Person. Er hat das Menschsein auf besondere und geheimnisvolle Weise empfangen und mit seiner Himmelfahrt auch in die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Heiligen Geist aufgenommen. Ist uns das bewusst, was Jesus Christus da für uns alle getan hat?

Hermann Josef Dreßen

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