Texterklärung

Gerade einmal 2 Kapitel umfasst das, was uns das Richterbuch von Debora erzählt. Einer Frau, die gut
dreieinhalb Jahrtausende vor unserer Zeit lebte. Es ist vieles, was die Geschichte Deboras ziemlich einzigartig macht. Dazu gehört nicht zuletzt auch die Tatsache, dass sie nicht die einzige Frau darin ist, die eine tragende, um nicht zu sagen „durchschlagende Rolle“ spielt, denn da ist ja auch noch die Keniterin Jaël. Doch der Reihe nach.

Wildes hin und her (V. 1-3)

Die Zeit von der Eroberung Kanaans bis zur Herrschaft von König Saul ist eine wilde Zeit. Das Land ist keineswegs fest in der Hand der Stämme Israels, der Glaube an Jahwe keineswegs eine gefestigte Institution. Hin und her geht es und das Richterbuch sieht einen klaren Zusammenhang zwischen dem religiösen Eiertanz des Volkes und der politischen und militärischen Lage. Als der vorherige Richter (Ehud) stirbt, geht es schnell bergab und der kanaanitische Stammesfürst Jabin übernimmt die Kontrolle. Die militärische Übermacht ist erdrückend. Mit 900 eisernen und gepanzerten Kampfwagen unter Führung des Generals Sisera mäht diese Übermacht alles nieder, was sich ihr an Bodentruppen entgegenwirft, und stellt somit ein antikes Pendant zu den „Wagner-Truppen“ unserer Zeit dar.

Frau mit Durchblick (V. 4-7)

Sehr außergewöhnlich für die damalige Zeit ist eine Frau, Debora (= Biene), Richterin und zwar im buchstäblichen Sinn. Sie spricht Recht. Einen Heerführer gibt es auch, aber der scheint entweder langsam oder schwerhörig zu sein, denn er kommt nicht in die Pötte und überhört einen Ruf Gottes, das Volk vom tyrannischen Feind zu befreien. Weil Debora nicht nur Richterin, sondern auch Prophetin ist, nimmt sie den Auftrag Gottes durchaus wahr und ruft den säumigen Soldaten Barak zu sich, um ihn an seine Pflicht zu erinnern.

Soldat mit wenig Mut (V. 8-10)

Barak ist nicht gerade das, was man sich unter einem raubeinigen antiken Soldatenführer vorstellt. Er will nur in den Krieg ziehen, wenn „Mutti“ Debora mitkommt. Diese lässt sich darauf ein, nicht ohne ihm klarzumachen, dass ihm sein hasenfüßiges und kleingläubiges Auftreten keinen Ruhm einbringen wird. Erstaunlich und vermutlich ein Hinweis auf den schlechten Zusammenhalt der Stämme Israels ist die Tatsache, dass „nur“ zwei Stämme beim Kampf zum Einsatz kommen.

Wenn Gott mitkämpft (V. 12-16)

Showdown am Tabor: General Siseras Spione verkünden ihm den Truppenaufzug am Tabor. Er wirft seine 900 Panzerwagen ins Feld. Das Heer der Fußsoldaten stürmt den Berg hinab, dem tödlichen Feind entgegen. Und dann geschieht das ganz und gar unwahrscheinliche: Der Herr erschreckte den Sisera samt allen seinen Wagen … (V. 15). Mit „rechten Dingen“ geht es jedenfalls nicht zu, denn es gab nicht den geringsten Grund, vor ein paar schlecht bewaffneten Bauern zu erschrecken. Für die Schreiber des Richterbuches ist die Sache klar, es geschieht hier nichts „durch Heer oder Kraft“, sondern allein durch Gottes Eingreifen.

Frau mit Durchschlagskraft (V. 11.17-24)

Fast beiläufig wird in Vers 11 noch eine Nebenfigu eingeführt, ein gewisser Heber, ein Keniter, also kein Israelit, aber über seinen Stammvater Hobab, einem Schwager Moses, sozusagen eingeheiratet. Wirklich wichtig ist er jedoch nicht, viel wichtiger ist seine Frau Jaël. Die scheint nicht nur mutig und beherzt, sondern auch schauspielerisch begabt und darüber hinaus, nun ja, zupackend zu sein. Sie lockt den von der Flucht erschöpften General ins Zelt, spielt ihm die treusorgende Untergebene vor und hat dann den Mumm, sich des gefährlichen Mannes zu entledigen. Deboras Vorhersage in Bezug auf Baraks ausbleibenden Ruhm erfüllt sich so im gleichen Zuge wie die Zusage Gottes, vor dem Volk herzuziehen und es vor seinem Feind zu erretten.

Und nun?

Wenn man sich die Lage Israels heute anschaut, dann gewinnt dieser Text eine erstaunlich aktuelle Bedeutung, sieht man doch mit bloßem Auge so manche Parallele. Aber was hat uns als Christen oder als Gemeinde so ein alter Text heute zu sagen? Vielleicht will er uns ja nicht nur etwas sagen, sondern uns auch das eine oder andere fragen.

Fragen zum Gespräch
  • Wenn ein Volk, eine Gemeinde oder auch nur ein einzelner Mensch nicht mehr nach Gott fragt, hat das immer Folgen. Sind wir uns dessen wirklich bewusst und welche Folgen nehmen wir z. B. bei uns selbst wahr?
  • Sollte man sein vielleicht einseitiges Bild über die „Rolle“ der Frau doch nochmals gesamtbiblisch über denken, wenn man gewahr wird, dass es schon im antiken Israel, wo das eigentlich gar nicht ging, von Gott berufene und befähigte Frauen gab, die den Männern in nichts nachstanden, ihnen im Gegenteil, zumindest in dieser Geschichte, ordentlich den Schneid abkauften?
  • Rechnen wir als Gemeinde oder Gemeinschaft auch heute noch mit dem konkreten Handeln Gottes in der Geschichte und leben und beten entsprechend?

Cornelius Haefele

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