Weihnachten ohne Weihnachtslieder. Stellen Sie sich das bitte mal einen Moment lang vor. Weihnachten ohne:

  • „Wahrlich, die Engel verkündigen heut Bethlehems Hirtenvolk gar große Freud: Nun soll es werden Frieden auf Erden. Den Menschen allen ein Wohlgefallen. Ehre sei Gott!“
  • „… durch der Engel Halleluja, tönt es laut von fern und nah: Christ, der Retter, ist da!“
  • „Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben … Ich sehe dich mit Freuden an und kann nicht satt mich sehen. Und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen.“
  • „Welt ging verloren, Christ ist geboren.“
  • „…wahr Mensch und wahrer Gott, hilft uns aus allem Leide, rettet von Sünd und Tod.“
  • „Zu Bethlehem geboren. Im Stall ein Kindelein. Gibt sich für uns verloren. Gelobet muss es sein.“
  • „Was geben wir Kinder, was schenken wir dir, du Bestes und Liebstes der Kinder, dafür? Nichts willst du von Schätzen und Reichtum der Welt, ein Herz nur voll Demut allein dir gefällt.“

Weihnachten ohne solch wertvollen, erklärenden Worten? Nein, das ist vollkommen unmöglich! Weihnachten ist für mich nicht denkbar ohne solch wahren, hoch reflektierte und doch allgemein verständlichen Aussagen über Gottes großes Geschenk an uns.

Ergänzend zur Botschaft der Weihnachtspredigten (und gelegentlich wohl deutlich klarer als manche von diesen) helfen mir die Texte der guten alten Weihnachtslieder dabei, mich an dem großen Fest zu erfreuen. Und darüber hinwegzuhören, dass neben den kostbaren Liederschätzen in der Advents- und Weihnachtszeit in erster Linie jede Menge nerviges Gesäusel zu hören ist.

Dabei sind solche kommerziellen „Weihnachtshits“ ganz besonders beliebt. Im Kaufhaus und auf dem Weihnachtsmarkt dudeln sie im Dezember schier rund um die Uhr. Entkommen können wir ihnen in den Tagen vor Weihnachten nicht. Und wir müssen schon mächtig aufpassen, dass uns diese „Stimmungsmusik“ nicht mit glühweingeschwängerter Gefühlsduselei von dem großen Wunder, das Gott an Weihnachten geschenkt hat, ablenkt.

Gerade deswegen liebe ich die alten Kirchenlied-Schätze und ihre Texte ganz besonders: Sie helfen mir, das Wesentliche in den Blick zu nehmen, mich auf das Kind in der Krippe zu konzentrieren. Und wieder neu zu staunen über den unglaublichen Weg, den Gott da voller Liebe auf uns zu macht.

Wie gut, dass Paul Gerhard, Martin Luther, Christoph von Schmid, Karl Riedel, Joseph Franz Mohr und andere Autoren uns diese Texte hinterlassen haben. Und uns daran erinnern, worauf es wirklich ankommt an Weihnachten.

Weihnachtspoesie heute

Und heute? Gibt’s auch aktuelle Weihnachtslieder unter der Sonne, die uns nicht nur atmosphärisch auf das Weihnachtsfest vorbereiten, sondern uns auch die Inhalte erklären und nahebringen?

Klare Antwort: Natürlich gibt es die. Meine geschätzten Liedermacher-Kolleginnen und -Kollegen haben in den letzten Jahren so einige Kostbarkeiten geschrieben, gesungen und auf Weihnachtsalben veröffentlicht: Peter Strauch (Gott wurde arm für uns), Dania König (Wundernacht), Martin Buchholz (Gloria und Schau auf den Stern), Sefora Nelson (Das hat die Welt noch nie gesehn), Manfred Siebald (Die
Weihnachtsfreude), Arne Kopfermann (Stern über diesem Stall), Albert Frey (Morgenstern), Albino Montisci (E nato un Re) beispielsweise. Und genauso auch Jürgen Werth, Martin Denzin, Jörn Schlüter und viele andere. Da gibt es für mich (und für Sie, liebe Leserin und lieber Leser) eine ganze Menge zu entdecken. Und ich selbst? Ich habe natürlich im Laufe meines Liedermacher-Lebens auch das eine oder andere Weihnachtslied versucht. Schon aus dem Jahr 1990 stammt „Das Ja der Liebe“, das ich zusammen mit Johannes Nitsch geschrieben habe „Am Anfang war das Wort, das Ja zum Menschen, Und das Wort wurde Mensch, wohnt nun greifbar bei uns. Für immer ist das Wort.“

Erstaunlich weit verbreitet hat sich das ebenfalls von Johannes Nitsch komponierte „Der Stern“ aus dem Jahr 1995: “Nur ein Stern verbreitet strahlend in dem Dunkel helles Licht. Gott wird Mensch und stiftet Frieden, Hoffnung, Freude, Zuversicht.“ Gern gehört und mitgesungen wird auch „Immanuel“ (2006), das ich gemeinsam mit Albert Frey geschrieben habe: “Immanuel, Gott ist mit uns, er lässt uns nicht im Stich. Immanuel, Gott kommt zur Welt, sanftmütig zeigt er sich.“

Eine ganz besondere Bedeutung hat für mich ein Lied, zu dem ich nur einen neuen Text beigesteuert habe. „Es ist ein Ros entsprungen“ gehört für mich zu den wertvollen Weihnachtsliedern. Schon im 16.
Jahrhundert hat Michael Praetorius diesen Text unter Bezug auf einen Satz aus dem Jesaja-Buch geschrieben. Dort heißt es (Jes 11,1): “Aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht.“

Ich kann viel anfangen mit diesem Bild, das die Geburt Jesu mit der Ankündigung des Messias verbindet. Aber verstehen unsere Zeitgenossen den wichtigen Inhalt des Jahrhunderte alten Textes? Die Sprache klingt für unsere Ohren doch reichlich altertümlich. So habe ich mich daran gemacht, den guten alten Inhalt in ein Deutsch zu „übersetzen“, das heute verstanden und mitgesungen werden kann:

Der Spross

Der Spross, noch kaum zu sehen,
der durch den Boden bricht.
Ein Wunder ist geschehen,
die Hoffnung dringt ans Licht.
Noch fassen wir es kaum.
Trotz Hölle, Tod und Teufel
wächst hier der Lebensbaum.


Das Kind von armen Leuten,
so hilflos und so klein
kann uns so viel bedeuten,
der Weg zum Leben sein.
Kommt hierher, wo wir sind,
hinein in unsre Grenzen:
Gott selbst in diesem Kind.


Der König bei uns Armen
macht unsre Herzen reich.
Zeigt Liebe und Erbarmen,
ein Stück von Gottes Reich
fängt er in uns schon an.
Er handelt recht und weise.
Sein Frieden bricht sich Bahn.


Die Hoffnungslosen hoffen,
Verzagte atmen frei.
Verschlossne werden offen,
die Kette bricht entzwei.
Die Stumme singt ein Lied
vom König in der Krippe,
vom Leben, das jetzt blüht.

Text: Christoph Zehendner
Musik: Michael Prätorius 1571-1621 (bekannt als „Es ist ein Ros entsprungen“)
© 2006 Auf den Punkt, Siegen

Weihnachten ohne Weihnachtslieder? Vollkommen undenkbar für mich! Ich lade Sie deshalb dazu ein, sich die Lieder herauszusuchen, die Ihnen guttun. Alte und neue Schätze. Liedperlen, die Ihnen dabei helfen könnten, sich auf Weihnachten zu freuen, sich auf das Kind in der Krippe zu besinnen und dann von
Herzen Gott zu danken für das Wunder, das er da für uns tut.

In diesem Sinne ein fröhliches, gesegnetes und musikalisches Weihnachtsfest!

Christoph Zehendner, Journalist, Theologie und Liedermacher, lebt und arbeitet mit seiner Frau im Kloster Triefenstein und unterstützt dort die Christusträger-Bruderschaft.

www.christoph-zehendner.de

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