Texterklärung

Jericho: die älteste Stadt der Welt. Unser Bericht geht auf ca. 1.200 v. Chr. zurück. Rahab – eine Hure! Wie sie dazu gekommen ist, erfahren wir nicht. Jedenfalls wächst Rahab in einem sehr schlechten Milieu auf (Rotlicht-Milieu). Nicht jeder sündigt aus Vergnügen. Viele sündigen auch aus Verzweiflung, weil sie keinen anderen Ausweg sehen. Gott fragt nicht nach dem Grad der Sünde, sondern nach der Aufrichtigkeit!

Rahab hat die denkbar schlechtesten Voraussetzungen dafür, ein Glied des Volkes Gottes zu werden. Kinder gläubiger Eltern dagegen haben einen großen Vorzug, weil sie in der Nähe Jesu und im Umfeld des Glaubens aufwachsen dürfen. Doch letztlich ist es nicht entscheidend, in welchem Umfeld ein Mensch groß geworden ist, wie gottlos er erzogen wurde, in welche Clique oder Umfeld jemand hineingerät. Man kann immer ein Gotteskind werden!

Rahab weiß wahrscheinlich nicht viel von Gott. Aber das bisschen, das sie weiß, reicht ihr, um zu glauben. Sie glaubt und wird die Ur-Urgroßmutter von König David und somit die Stammmutter Jesu. Die Frage ist immer, ob ein Mensch glauben will! Dass Rahab als Heidin und Hure zum Glauben an den Gott Israels findet, ist vielleicht schon eine Weissagung daraufhin, dass Jesus als Heiland und Retter auch der Heiden, Huren und Sünder in diese Welt gekommen ist (Lk 19,10).

Was für ein Glaube!

Rahab glaubt an den Sieg Israels, ohne irgendwelches „Schauen“! Noch stehen die „uneinnehmbaren“ Mauern Jerichos und trotzen allen Angriffen. Die Israeliten, ohne Kampferfahrung, 40 Jahre in der Wüste unterwegs, haben keine schweren Waffen. Nichts deutet auf einen Sieg dieses Wüstenvolkes hin. Doch Rahab glaubt! Sie ist die Einzige in Jericho, die glaubt! Ihr Glaube äußert sich in den Worten: „Ich weiß, dass der Herr euch das Land gegeben hat!“ (V. 9). Gott hat auch uns, die wir an ihn glauben, ein Land verheißen: Das „himmlische“ Kanaan. Er hat uns dieses Land schon gegeben. Um Christi willen dürfen wir es jetzt schon besitzen, obwohl der Tag noch aussteht, an dem wir dort einziehen werden. Rahab wird uns hier zum Vorbild und zur Ermutigung, das festzuhalten, was wir noch nicht sehen, aber was Gott uns
zugesagt hat.

Glaube, der nicht untätig ist

Ein Glaube, der nichts tut, ist tot! Rahab wurde durch den Glauben aktiv. Es geht hier nicht um eine „Werkgerechtigkeit“, mit der wir versuchen, uns den Himmel zu verdienen. Es geht um den „Glauben, der in der Liebe tätig ist“, wie wir in Gal 5,6 lesen. Nicht ihr Handeln bewirkte bei Rahab den Glauben, sondern es ist gerade umgekehrt: Der Glaube ist die Triebkraft ihres Handelns. In ihrem Tun zeigte sich die Echtheit ihres Glaubens! So muss sich jeder Glaube im Handeln und in der helfenden Liebe zeigen und bewähren, nicht in großen Worten. Dieses Helfen fängt im eigenen Haus an. So geschieht es auch bei Rahab. Es ist vielleicht schon etwas dämmrig, da schlüpfen zwei vermummte Gestalten in ihr Haus. So ist das eben in ihrem Gewerbe.

Aber es stellt sich heraus: Es ist keine Kundschaft, sondern es sind Kundschafter. Sie wollen nur eins: Ein
Versteck, weil ihnen die Polizei schon auf den Fersen ist. Und Rahab tut, was jetzt das Nächstliegende ist: Sie versteckt die beiden! Es geht nicht um die „großen“ Dinge in unserem Leben, sondern um die Kleinigkeiten, die uns Gott „vor die Füße legt“ (obwohl das hier ja schon eine große Sache ist). Es ist das Naheliegende für Rahab und das gilt es nicht zu übersehen. Viele Christen sind zu großen Dingen bereit, aber nicht zu den kleinen, die sich vielleicht im eigenen Haus ergeben.

Es geht nicht um das, was wir sagen (vielleicht auch von der Kanzel herunter), sondern um die kleinen Aufgaben, die wir tun. Manche halten es nicht für nötig, mal zu Hause der eigenen Frau unter die Arme zu greifen. Da las ich ein lustiges Gedicht von Heinz Erhardt (deutscher Komiker, Musiker, Entertainer 1909-1979). Es spricht aus einer Zeit, in der mit Holz und Kohle geheizt wurde: „Ich hol vom Himmel dir die Sterne, so schwören wir den Frauen gerne. Doch nur am Anfang, später holen wir nicht mal aus dem Keller Kohlen.“ Unser Leben besteht aus lauter Kleinigkeiten, wie „Kohlen holen“. Gott möchte, dass wir uns in den Kleinigkeiten des Alltags gebrauchen lassen und bewähren. Wir haben von früh bis spät Gelegenheit, unseren Glauben zu leben. Wir können Menschen Gutes tun, ihnen Lasten abnehmen und dadurch unseren Glauben praktisch leben.

Fragen zum Gespräch
  • Wie gelange ich zu diesem festen Glauben, dass Gott ein „himmlisches“ Kanaan für mich bereithält
  • Wie erkenne ich, was Gott von mir möchte (die kleinen Dinge, die ich anpacken soll)?

Christoph Meyer, Gemeinschaftspastor

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