Texterklärung

Kaum war die letzte Posaune verklungen, warnte Gott, Jericho stünde unter dem Bann Gottes. Wenn sich
Israel daran vergreife, müsse es damit rechnen, selbst unter dem Bann zu stehen. Bann bedeutet letzten Endes Vernichtung. Josua hat Erfolg und erobert die Stadt. Kapitel 6 endet mit dem Satz. „So war der Herr mit Josua, dass man ihn rühmte im ganzen Lande.“ Nach dem großen Sieg und der Eroberung Jerichos kommt der Tiefschlag. „Aber …“ – man beachte das kleine Wort! – „die Israeliten vergriffen sich an dem Gebannten.“ Das hat Konsequenzen.

Die Niederlage

Ein verkleinertes israelisches Heer greift die Stadt Ai an und wird in die Flucht geschlagen. Liegt es daran, dass Josua ohne Gottes Auftrag gehandelt hat? Josua 8,1 lässt darauf schließen. Dort lesen wir: „Und der Herr sprach zu Josua: Fürchte dich nicht und verzage nicht! Nimm mit dir das ganze Kriegsvolk und mache dich auf und zieh hinauf nach Ai!“ Israels Truppe wird gedemütigt. Hatten Josuas Spitzel noch gemutmaßt, „ihrer sind wenige“, so reicht deren Anzahl aus, sich gegen den Angreifer zu verteidigen. Die sieggewohnte Armee läuft davon und muss 36 Tote beklagen. Ihr Mut fließt sprichwörtlich wie Wasser davon. Ein solches Heer ist zu nichts zu gebrauchen.

Josuas Gebet

Tief erschüttert fällt Josua zusammen mit den Ältesten vor Gott auf die Knie. Sie zerreißen ihre Kleider und werfen Staub auf ihren Kopf, wie bei einer Trauerfeier. Josua hadert mit Gott: „Warum hast du dies Volk über den Jordan geführt und gibst uns in die Hände der Amoriter, um uns umzubringen?“ So fragen auch heute Menschen, wenn sie mit Leid konfrontiert sind. Ähnlich hat sich auch das Volk Israel kurz nach dem Auszug aus Ägypten beschwert: „Oh, dass wir doch jenseits des Jordans geblieben wären!“

Was sollten die anderen Völker jetzt von ihnen denken? Waren sie jetzt nicht in der Gefahr, selbst zum Opfer von Gewalt und Vernichtung zu werden? Und was bedeutet das für Gott? Verliert er damit nicht sein Gesicht? Aus menschlicher Sicht sind das berechtigte Fragen und Befürchtungen! Vor allem dann, wenn man nicht nach Gottes Willen fragt.

Gottes Antwort

Zuerst einmal muss auffallen, dass Gott nicht auf Josuas Gebet eingeht. Erleben wir das nicht auch manchmal, dass Gott auf unsere Bitten scheinbar nicht reagiert? Gott befiehlt Josua, erst einmal aufzustehen. Im übertragenen Sinn kann das heißen: „Steh zu dem, was du gemacht hast!“ Das fällt uns oft schwer. Schuld sind in der Regel die anderen oder die Umstände. Im Falle Josuas ist die Sache klar: „Israel hat sich versündigt, sie haben meinen Bund übertreten.“

Geht’s nicht eine Nummer kleiner? Nein, für Gott ist die Verletzung des Bann-Gebotes nichts weniger als ein Treuebruch. Der muss bestraft werden. Die Angelegenheit muss bereinigt werden, sonst entzieht sich Gott dem Volk komplett. Und wie? Nicht einfach so nebenbei. In einem Gottesdienst: „Heilige das Volk und sprich: Heiligt euch auf morgen!“ Wir erfahren nicht, was „heiligen“ im Einzelnen bedeutet. Und das Diebesgut muss gefunden und an Gott zurückgegeben werden, sonst drohen weitere militärische Niederlagen. Die Suche geschieht mittels Losentscheid, eine Methode, die im alten Israel immer wieder angewandt wurde. Den Schuldigen trifft die Todesstrafe.

Die Vollstreckung

Der Schuldige wird gefunden und muss ein Geständnis ablegen. Das Diebesgut, das in Achans Zelt gefunden wird, hat einen beträchtlichen Wert. Es muss Gott zurückgegeben werden. Die Vollstreckung des Todesurteils findet im Tal Achor („Unglückstal“) statt. Der Verurteilte wird gesteinigt. Davon war in Gottes Antwort gar nicht die Rede. Mit Feuer sollte der Dieb verbrannt werden. Genau das macht man mit dem Leichnam. Im Text bleibt unklar, wer „sie“ sind. Ist tatsächlich die ganze Großfamilie samt Tieren und dem Diebesgut im Feuer gelandet? Schließlich häufen sie einen Steinhaufen über die Asche – ein Mahnmal an künftige Generationen. Die Erfahrung von Ai wird die einzige schwerwiegende Niederlage sein im Laufe der Landnahme.

Fragen zum Gespräch
  • Das ganze Volk wird verantwortlich gemacht für die Sünde des einen. Ist das gerecht? Ist es gerecht, wenn die Großfamilie ebenso hingerichtet wird?
  • Man könnte die Geschichte so zusammenfassen: Eine militärische Niederlage hat sich deshalb ereignet, weil ein Einzelner gesündigt hat. Das ist ein – für das Alte Testament typischer – Tun-Ergehen-Zusammenhang. Was würden wir als Christen dazu sagen?
  • Könnte man die Verse 2-10 auslassen? Was würde das für die Geschichte bedeuten?

Jürgen Ziegler, Gemeinschaftsreferent

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