Texterklärung
In Kapitel 6 beginnt in der Offenbarung die Reihe der großen welt- und heilsgeschichtlichen Gesichte (Visionen) des Johannes. Er sieht und schreibt darin nicht in zeitlicher Reihenfolge (chronologisch / menschliche Zeit), sondern aus Gottes Sicht (kairologisch / Gottes Zeit). Gott wirkt heilsgeschichtlich vierfach in unsere menschliche Zeit hinein. Zuerst sendet er Jesus in die Welt (Weihnachten), dann versöhnt er in Jesus die Welt mit sich (Karfreitag), überwindet den Tod (Ostern) und wird am Ende unserer menschlichen Zeit das Heil für die Welt und uns vollenden (Wiederkunft Jesu und neue Schöpfung).
Zeitlich begrenzt
Erschreckende Bilder sieht Johannes in diesen „Posaunengesichten“. 7 Engeln, die vor Gott stehen, werden 7 Posaunen gegeben. Was geschieht, steht meines Erachtens unter dem Kommando Satans, dem Stern, der vom Himmel auf die Erde gefallen ist. Der Abgrund (die Hölle) tut sich auf, und der Verderber (hebräisch: Abbadon, griechisch: Abyssos) erscheint. Es kommt zur Katastrophe, die einem Drittel der Weltbevölkerung den Tod bringt. Heuschrecken treten aus dem Abgrund hervor, die aber nicht die Pflanzen abfressen (geschaffen am 3. Schöpfungstag; 1Mo 1), sondern die Menschen (geschaffen am 6. Schöpfungstag) quälen. Nur die Menschen, die „das Siegel Gottes auf der Stirn tragen“ (V. 4b), sollen verschont bleiben. Dies erinnert an die Plagen vor dem Auszug aus Ägypten und die Verschonung der Israeliten durch das Blut eines Lammes (2Mo 12). 144.000, die durch ein Siegel an der Stirn von Gott gekennzeichnet wurden, werden verschont. Dies ist eine symbolische Zahl, die für die göttliche Vollendung steht. Die Zahl 12 steht für die 12 Stämme Israels (Alter Bund) und die 12 Jünger (Neuer Bund), die Zahl 1000 für eine gewaltige Menge. Das alles dauert fünf Monate, d. h. es ist schrecklich, aber zeitlich begrenzt.
Unterschiedlich interpretiert
Fast jede Generation hat ihre eigene, an ihre menschliche Zeit gebundene Interpretation für dieses Geschehen gefunden. Fast zu jeder Zeit der Kirche Jesu Christi gab es schreckliche Kriege. Nur einige möchte ich nennen: Der 30-jährige Krieg (mit Pest und Hungersnot); die Kriege Napoleons (dessen Namen man in Apollyon sehen wollte); Hitler, der das Volk Israel, den Augapfel Gottes, durch einen Genozid töten wollte; der Kalte Krieg mit der Gefahr eines weltzerstörenden Atomkrieges.
Die dargestellten Bilder wurden immer wieder auf moderne Kriegsführung übertragen. Sind hiermit anhaltende Kampfhandlungen mit ferngelenkten Waffen, Luftwaffe und Panzer gemeint? „Während Panzer mit starker Infanteriebegleitung die Länder todbringend überrollen, greifen Massen von tieffliegenden Bodenkampfflugzeugen panikerregt die Bodentruppen an.“ (Adolf Pohl in Wuppertaler Studienbibel, Offenbarung des Johannes, S. 261). Es stimmt. Viele diese Bilder sind durch moderne Waffen erklärbar und werden auch von Jesus in den sogenannten Endzeitreden genannt: „Wenn ihr aber hören werdet von Kriegen und Kriegsgeschrei, so erschreckt nicht: Es muss geschehen. Aber das Ende ist noch nicht da“ (Mk 13,7).
Antichristlich und nicht umgekehrt
Wir sehen an der Geschichte des sog. Dritten Reiches, wie es geschehen kann. Ein Volk wird geführt. Ein
Mann, Adolf Hitler, möchte die Macht, die Herrschaft, am besten die Weltherrschaft. Er rüstet auf und greift andere Länder an. Er möchte das Volk der Juden töten, was ihm erschreckenderweise auch fast gelingt. Die Bibel wird umgeschrieben und alles Jüdische daraus entfernt. Die Kirchen mussten ihre Kirchenglocken abgeben, angeblich, um Munition daraus herzustellen. Bis 1950 sollte Albert Speer Berlin zur „Welthauptstadt Germania“ ausbauen (dem neuen Babel?). Aber es war noch nicht das Ende. Die Mächte aus Ost und West griffen ein und zwangen unter großen Verlusten Hitler und die Nationalsozialisten in die Knie. Adolf Hitler beging Selbstmord.
Seit ich mich intensiver mit Geschichte und der Bibel beschäftige, frage ich mich, warum die Zeit des
Nationalsozialismus nicht die Endzeit war. Aber im geschichtlichen Rückblick kann man nur sagen, dass
Hitler (wie alle anderen davor) einer der Vorläufer des Antichristen war. Als wenn das nicht alles erschreckend genug wäre, endet unser Bibelabschnitt damit, dass zwei Drittel der Menschen, die das alles sehen und erleben, ihr gotteslästerliches Verhalten nicht ändern. Sie ändern ihren Sinn nicht (Buße tun, wörtlich „Änderung des Sinnes“). Sie beten weiterhin Dämonen an, Götzenbilder aus Gold, Silber, Bronze, Stein und Holz. Sie morden weiter, betreiben Spiritismus und verehren nicht Gott als den einzigen und einen Gott.
Fragen zum Gespräch
- Fallen uns Geschichten in der Bibel ein, in denen Gott seine Auserwählten vom Tod beschützt? Wer wird wie geschützt?
- Was lehrt die Bibel über den Engel des Lichts, Luzifer? Wir sammeln die Begriffe, die in der Bibel genannt sind.
- Satan ist durch Jesu Tod am Kreuz besiegt. Aber er geht um wie ein brüllender Löwe (1Ptr 5,8). Ist er der Stern, der vom Himmel gefallen ist und hier wirkt? Wann habe ich zum letzten Mal daran gedacht, dass Jesus wiederkommt?
Michael Lang, Pfarrer