Texterklärung

Anfangs herrschte auf der Erde Chaos. An ihrem Ende fällt sie ins Chaos zurück. Am Anfang schuf Gott durch seine schöpferische Kraft guten Lebensraum. Am Ende aller Zeit wird er kraftvoll alles neu machen. Das ist unser Glaube, unsere Hoffnung. Der Seher Johannes hat erschreckende Visionen über die Endzeit, aber eine letztlich tröstliche, zuversichtliche Gewissheit. Das Böse wird sich gegen Ende der Zeiten machtvoll aufbäumen und seine große bedrohliche Verführungsmacht zeigen. Geduld und Glaube der Heiligen (V. 10) müssen sich bewähren. Aber Geduld und Glaube bewahren auch.

Die Bilder des Bösen

Das erste Tier entsteigt dem Meer. Sein Aussehen übertrifft alle Alpträume. Es hat zehn Hörner und sieben Häupter. Es vereinigt in sich Panther, Bär und Löwe. Der Drache, ein kosmisches Ungetüm (vgl. Offb 12,3ff.), verleiht dem Tier Kraft, Thron und Macht – die Herrschaft. Das apokalyptische Tier ist unverletzlich. Seine tödlichen Wunden heilen. Mit seinem großen Maul lästert es Gott. Es verfolgt die Heiligen bis aufs Blut. So sehr dieses erschreckt, erschreckender ist, dass dieses Tier auf der ganzen Erde angebetet wird.

Das zweite Tier steigt aus der Erde auf. Es hat wie ein Lamm zwei Hörner und redet wie der Drache. Es übt die Macht des ersten Tieres aus, steht in seinen Diensten. Es tut große Zeichen, lässt Feuer vom Himmel auf die Erde regnen. Es ruft auf, das zweite Gebot zu übertreten. Es verführt die Erdenbewohner, sich ein Bild zu machen vom ersten Tier – ein Götzenbild. Das zweite Tier steht für Verführung und Gleichschaltung der Menschen. Wer sich widersetzt und das Götzenbild nicht anbetet, wird getötet.

Die Macht des Bösen

Beiden Tieren „wurde Macht gegeben“. Beider Macht Ziel ist die Verfolgung und Vernichtung der Gemeinde. Wer gibt ihnen Macht? Beim ersten Tier wird gesagt: der Drache (V. 2). In Vers 7 und Vers 15 bleibt die Antwort merkwürdig in der Schwebe. Kommt sie gar vom Allmächtigen, der das Böse (noch) gewähren lässt? Doch daran gibt es keinen Zweifel: Dem Christus ist alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben. Die Machtfrage ist entschieden. Aber noch hat das Böse teuflisch Macht. Das weiß die Gemeinde des Johannes aus leidvoller Erfahrung.

Vers 18 spricht verschlüsselt. Als Name des Tieres wird die Zahl 666 genannt und gleichgesetzt mit der Zahl eines Menschen. Wie ist dieses zu verstehen? Manche nahmen die Zahl, um das Ende der Welt zu berechnen (u. a. J. A. Bengel). Weil in der hebräischen und griechischen Sprache Buchstaben zugleich Zahlen sind, versuchten andere, den Namen zu entschlüsseln. Die Bedeutung der Zahl 666 bleibt ein verschlossenes Rätsel. Das Böse zeigt sich mit vielen Gesichtern und vielen Namen.

Die Verkörperung des Bösen

Der Seher Johannes nimmt eine Vision des Danielbuches (7,3-7) auf. In apokalyptischen Bildern spricht er vom römischen Staat. Die „lästerlichen Namen“ (V. 1) meinen die „Ehrentitel“ der römischen Kaiser, die sich als Götter verehren ließen, die Kronen sind ihre Ehrenzeichen. Verfolgung und Verführung durch die Staatsmacht waren für die Gemeinde des Sehers hautnahe Bedrohungen. Jeder, der sich zu Christus bekannte, musste mit Gefängnis oder Hinrichtung rechnen (V. 10). Johannes saß gefangen auf der Insel Patmos (vgl. 1,9).

Neben Römer 13 gilt Offenbarung 13 als zentrale biblische Aussage zum Staat als weltlicher Ordnung. Offenbarung 13 nimmt einen Staat in den Blick, der sich gegen Gott, gegen sein Wort, gegen sein Gebot, gegen seine Gemeinde richtet, der sich selbst absolut setzt und religiös überhöht. Ein solcher Staat verkörpert das Böse schlechthin. Er ist Feind Gottes und seiner Gemeinde, keine von Gott eingesetzte Obrigkeit, die für Recht und Gerechtigkeit zu sorgen hat (vgl. Röm 13). Offenbarung 13 gibt einen Maßstab, an dem wir Christen jeden Staat messen können. Autokratische, totalitäre, Religionsfreiheit verweigernde und sich absolut setzende Staaten sind keine guten Staaten. Manche Entwicklungen unsrer Zeit haben endzeitlichen Charakter. Eins aber ist gewiss: Am Ende der Zeit kommt der Menschensohn (Dan 7,13), der Erlöser, die Vollendung. Und Gott schafft einen neuen Himmel und eine neue Erde.

Fragen zum Gespräch
  • Wie ging es mir beim Hören von Offenbarung 13? Welches Bild war für mich beim Hören das stärkste?
  • Wo begegnen uns heute „apokalyptische Bilder“ und was machen sie mit uns?
  • Was sagt Offenbarung 13 zu unsrer Zeit und zu unserem Weg des Glaubens?

Harald Klingler, Dekan i.R.

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