Texterklärung

Die Jahreslosung ist in mehrerer Hinsicht herausfordernd. Die Formulierung „Alles, was ihr tut“ ist eine engführende Verkürzung. Wörtlich heißt es „Alle eure Dinge“. Da geht es um weitaus mehr als nur um das Tun. „Alle Dinge“ fasst den Inhalt des 1. Korinther-Briefes summarisch zusammen. „Liebe“ ist schon rein sprachlich unklar und weitläufig – jedoch im biblischen Kontext und von 1. Korinther 13 her eine große Herausforderung.

Was sind „alle Dinge“?

Auch wenn der Tenor des Textes auf der Liebe liegt, in der alles geschehen soll, verweist Paulus die Gemeinde darauf, dass es nicht nur um einzelne, bestimmte Lebensbereiche geht, die in der Liebe geschehen sollen, sondern einfach alles.

„Alle Dinge“ ist ein Sammelbegriff für sämtliche Lebensbereiche; er meint den eigenen Lebensbereich ebenso wie den Bereich der Ehe, der Familie, den Umgang mit anderen Menschen, mit Geld, mit Gut und Besitz sowie alles Denken, Reden und Tun. Mit anderen Worten gesagt: Als Christen sollen wir integer sein. Wir sollen kein „zweites Gesicht“ haben, kein „privates Gesicht“ das sich anders darstellt als das Bild, das wir in der christlichen Gemeinde zeigen.

„Alle Dinge“ ist ein summarischer Begriff. Alle Themen, die Paulus den Korinthern in seinem Brief dezidiert
erläutert hat, fasst er mit „alle Dinge“ zusammen: die Spaltungen (Kap. 1); Intellektualität versus göttliche Weisheit (Kap. 2); geistliche Mündigkeit und Mitarbeiterschaft im Reich Gottes (Kap. 3); das lieblose Richten anderer (Kap. 4); sexuelle Ausschweifungen (Kap. 5); das lieblose Prozessieren gegen Mitchristen (Kap. 6); Umgang in der Ehe (Kap. 7); die lieblose Bewertung der Gewissensentscheidung anderer (Kap. 8); der willkürliche Gebrauch von Freiheit (Kap. 9); der ungeistliche Umgang mit dem Abendmahl (Kap. 10 + 11); die unterschiedliche Gewichtung von Geistesgaben (Kap. 12); die sich hingebende Liebe als das höchste Gut (Kap. 13); der Umgang mit dem Charisma der Zungenrede (Kap. 14) oder der Umgang mit theologischer Lehre (Kap. 15); letztlich noch der Umgang mit Geld (Kap. 16).

Die oben genannten Themen des Briefes sind ebenfalls nur eine kleine Auswahl aus allem, was einem das
tägliche Leben beschert. Manches konnte, wollte und sollte nicht benannt werden. Aber auch diese Bereiche – eben alles! – soll in Liebe geschehen. Denn „wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen und hätte die Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze.“ (1Kor 13,3)

Tut es in Liebe!

Alles Tun und Sein soll aus ein und derselben Motivation heraus geschehen: aus der Liebe. Wenn Paulus von der Liebe spricht, dann verweist uns das zu Kapitel 13, wo er der Gemeinde gegenüber formuliert, um welche Art von Liebe er spricht: Hingabe an Mensch und Gott.

Biblische „Liebe“ ist kein Bauchgefühl, keine romantische Sonnenuntergangsstimmung, sondern eine Entscheidung. Diese Entscheidung hat das Wohl des anderen im Blick. Diese Entscheidung erwartet nichts für sich, keine Gegenleistung, sondern ist die selbstgewählte Form der Ermöglichung: Ich möchte mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln dafür sorgen, dass der andere sich entfalten kann, Raum hat und seinen Lebensweg findet. Diese Liebe ist es, mit der Gott den verlorenen Sünder liebt, damit dieser nicht verloren geht, sondern zum Vater nach Hause zurückkehren kann. Diese Liebe kostet den Vater alles und bringt ihm nur Arbeit, Mühe und Ärger. Aber der Vater hat sich zu dieser Liebe entschieden – ganz gleich, wie wir Menschen darüber denken.

Liebe ist eine lebenslange Lernaufgabe

„Alle eure Dinge lasst in Liebe geschehen“ – das ist die große Herausforderung für das Leben eines Einzelnen wie für eine Gemeinde. Diese Liebe muss man zunächst einmal wollen. Erotik ist die angenehmere Form der Liebe. Sie ist leidenschaftlich und emotionsgeladen. Aber sie denkt nur an den eigenen Lustgewinn. „Agape“ – die sich hingebende Liebe – ist anstrengend und verspricht keinen „Gewinn“. Mit der Frage „Was habe ich davon?“ kommt man bei der Liebe nicht weit(er). Denn die Liebe, wie Gott sie meint, hat nur das Wohl des anderen im Blick. Das muss man erst einmal wollen und dann muss man das täglich neu buchstabieren. Lieben und Üben gehören zusammen.

Liebe ist Geschenk

„Ist so eine göttliche Liebe überhaupt möglich?“, mag man den Apostel zurückfragen. Ja, denn diese Liebe
wird uns geschenkt. Sie ist Frucht des Heiligen Geistes (Gal 5,22), den wir als Christen bei unserer Hinwendung zu Jesus Christus geschenkt bekommen haben (Eph 1,13). Der in uns lebende Geist Gottes gießt diese göttliche Liebe in unser „Herz“ (= Wesen) hinein: „Denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5).

Fragen zum Gespräch
  • In welchen Bereichen fällt es mir schwer, liebevoll auf andere zuzugehen?

Martin Schrott

Diesen Beitrag teilen