Texterklärung

„Ich lebe, doch nun nicht ich, Christus lebt in mir!“ (Gal 2,20). Wie kommt Paulus dazu, so etwas zu
sagen? Und wie sieht das aus „Christus in mir“? Paulus beschreibt damit ein zentrales Kennzeichen unseres Glaubens. Aber wie und in welcher Situation sagt Paulus diesen Satz? Paulus setzt sich in seinem Brief mit Leuten auseinander, die in der Gemeinde für Verwirrung sorgen. Er argumentiert, indem er zunächst auf zwei Situationen zurückblickt.

Das Apostelkonzil in Jerusalem (Vers 1-10)

Paulus erinnert an das Apostelkonzil in Jerusalem und blickt dazu 14 Jahre zurück (Apg 15,1-19). Dort hat sich Paulus mit den maßgebenden Leuten auseinandergesetzt: Die Rettung geschieht allein aus Gnade, ohne die jüdischen Gesetze zu befolgen und ohne Beschneidung. Nicht einmal von Titus, seinem griechischen Begleiter, haben sie damals die Beschneidung erwartet. Dagegen sind „falsche Brüder“ eingedrungen mit dem Ziel, sich ihren Vorschriften zu unterwerfen. Doch Paulus gibt nicht nach, weil für ihn das Evangelium auf dem Spiel steht (Vers 5).
Mit den maßgebenden Leuten Jakobus, Petrus und Johannes kann er sich einigen. Für sie ist klar: Paulus bringt die Gute Nachricht zu den Völkern, Petrus ist es anvertraut, sie zu den Menschen jüdischer Herkunft zu bringen. Eine klassische Arbeitsteilung, aber ohne eine Wertung „in wichtig“ oder „weniger
entscheidend“ vorzunehmen. Am Ende reichen sie sich die Hand und bitten Paulus noch, an die Armen zu
denken, was er gerne tun will.

Paulus erinnert an eine Auseinandersetzung mit Petrus (Vers 11-14)

Paulus sucht die offene, direkte und ehrliche Auseinandersetzung mit Petrus (Vers 14). Was ist passiert? Petrus ist nach Antiochia gereist und dort Kritikern begegnet, die zwei Dinge gefordert haben: Beschneidung und keine Tischgemeinschaft von Juden und Nichtjuden, selbst wenn beide Christen sind. Beides widerspricht dem Evangelium und auch dem, was Petrus selbst schon erkannt hat (vgl. Apg 10,9-16). Trotzdem gibt Petrus nach. Als Paulus das sieht, stellt er Petrus zur Rede. Beschneidung und koschere Lebensweise sind ja nun sicher nicht unsere Fragen. Allerdings spricht Paulus damit einen Grundkonflikt an, dem sich Christinnen und Christen bis heute stellen müssen: Von welchen – vielleicht auch unterschwelligen Gesetzen – machen wir uns abhängig? Und noch wichtiger, wie sprechen wir es miteinander an?

Und heute – bei den Galatern? (Vers 15-21)

Auch heute werden sie gerecht durch den Glauben und nicht durch das Gesetz. Wer mit Christus gestorben ist, ist für das Gesetz gestorben (vgl. Röm 7,4-6). Niemand, weder Juden, noch Menschen, die aus den Völkern stammen, ist vor Gott gerecht. Also kein Mensch! Deshalb, gehören in Jesus auch alle zusammen. Jesus hat mit seinem Tod am Kreuz alles getan, um unsere Gemeinschaft mit ihm zu begründen. Und jetzt „lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir!“ Das ist nun sicher ein Satz, dem die meisten, die diesen Beitrag lesen, zustimmen werden. Ja, genau!
Aber wie sieht dieses „Wir“ – dieses „Christus in mir“ aus? Und überhaupt, wie kann ich es mir vorstellen? Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, mir helfen in solchen Momenten Fragen, wie z. B. diese: Jesus, wie zeigt sich deine Gegenwart in meinem Leben? Im „Wir“ zu leben, dabei geht es wohl nicht darum, zu unterscheiden: Wer tut hier eigentlich was? Sondern es interessiert allein, was Jesus in uns und durch uns tun möchte. Schon beim Schreiben merke ich, es bleibt abstrakt, oder? So richtig fassen kann zumindest ich es nicht wirklich. Aber wie sollte es auch anders sein, wenn wir versuchen, Worte zu finden für das Geheimnis unseres Glaubens? Gerhard Tersteegen findet in seinem Lied: „Gott ist gegenwärtig“ dafür Gedanken, die etwas von diesem „Christus in mir“ gut beschreiben: „Herr, komm in mir wohnen, lass mein
Geist auf Erden, dir ein Heiligtum noch werden. Komm, du nahes Wesen, dich in mir verkläre, dass ich dich stets lieb und ehre. Wo ich geh, sitz und steh, lass mich dich erblicken, und vor dir mich bücken!“

Fragen zum Gespräch

Paulus setzt sich auseinander mit Petrus, mit den maßgebenden Leuten in Jerusalem, mit den Galatern:

  • Was können wir von seiner Form der Konfliktlösung lernen?
  • Von welchen – vielleicht auch unausgesprochenen Gesetzen – machen wir uns abhängig?
  • Wie können wir darüber reden?
  • Christus lebt in mir: Wie erlebe ich das?
  • Was verändert sich in unserem Miteinander, wenn ich die Andere/den Anderen anschaue als einen Menschen, in dem Christus lebt – so richtig?
  • „Christus lebt in mir“ – welche geistliche Übung kann mir dabei helfen, das noch mehr zu erfassen?
    (Tauschen Sie sich über Ihre Erfahrungen aus.)

Christiane Rösel, Landesreferentin

Die Kurzbibelschule zum Galaterbrief
In vier Videos entfaltet Martin Schrott den Galaterbrief. Die Videos sowie umfangreiches Material dazu gibt es kostenlos auf der Website von bibelbeweger.de
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