Texterklärung

Emotional hat Paulus den Brandbrief an die Galater begonnen. Kaum, dass er den üblichen Gepflogenheiten eines antiken Briefeinganges Genüge getan hat, hatte er sein allergrößtes Unverständnis zum Ausdruck gebracht (Kap. 1). Dann jedoch verändert er den Ton. Paulus erklärt sich, sein Verhältnis zu den anderen Aposteln und manches andere.

Der Aufbau des Textes

Unser Text teilt sich in zwei Abschnitte auf. Den ersten Abschnitt eröffnet der Apostel mit fünf brennenden Fragen, die für ihn und auch für die Galater von entscheidender Bedeutung sind.

  • Vers 1: Wer hat euch verhext? (Luther übersetzte: bezaubert.)
  • Vers 2: Was glaubt ihr, wodurch ihr den Heiligen Geist empfangen habt?
  • Vers 3: Wie könnt ihr so unverständig sein?
  • Vers 4: Wieso lernt ihr nichts aus geistlichen Erfahrungen?
  • Vers 5: Was glaubt ihr, wie Jesus an euch handelt? (Vers 5)

Im zweiten Abschnitt legt Paulus den Galatern drei wesentliche Grundlagen des Glaubens dar.
Erste Grundlage: Abraham ist das Paradebeispiel für das, was im biblischen Sinne Glauben bedeutet. Nur wer diesem Beispiel folgt, glaubt wirklich.
Zweite Grundlage: Auch wenn die Judenchristen es kaum glauben konnten: Gott hat die Heiden ohne jede Voraus-Bedingung zum Glauben eingeladen und berufen und sie gerade darin zu gesegneten Nachfahren Abrahams gemacht.
Dritte Grundlage: Mit Hilfe von vier alttestamentlichen Bibelstellen beweist Paulus, dass die Annahme, man könne durch das Einhalten irgendwelcher Regeln – und seien es die frömmsten Gebote – etwas bei Gott gewinnen, völlig falsch, ja wie ein Fluch ist.

Dagegen stellt er, und auch das beweist er mit einer alttestamentlichen Stelle, dass Christus uns von diesem Fluch erlöst hat. Darum dürfen alle Menschen zum Glauben kommen und bekommen von Christus den Heiligen Geist.

Was nun?

Ein Text so heiß wie ein Brandeisen und bis heute gefährlich. Gefährlich für Gemeinden und Christen, die wieder einmal der Gefahr erlegen sind, anzunehmen, Glaube bedeute brav zu sein und als guter Mensch dazustehen. Wenn man brav seine Stille Zeit macht, regelmäßig in den Gottesdienst geht und ansonsten bei der Steuererklärung nur ein wenig flunkert, ab sofort ein E-Auto fährt und für armen Kinder im Sudan einen Dauerauftrag eingerichtet hat, dann müsse Gott doch wohl ganz zufrieden mit mir sein. Umgekehrt ist natürlich jeder verdächtig, kein anständiger Christ zu sein, bei dem man diese Dinge nicht so wahrnimmt. Oder schlimmer noch: Dinge wahrnimmt, die gar nicht gehen.

Nur mal so eine Idee …

Nun könnte man es wagen, eine ganze Bibelstunde oder einen Hauskreisabend nur mit den ersten fünf Versen des Textes und den Fragen, die Paulus seinen Lesern stellt, zuzubringen. Man könnte sich gemeinsam darüber Gedanken machen:

  • Was sind Dinge, die uns „verhexen“ und die dazu führen, dass wir solchen Annahmen aufsitzen und es dazu kommen lassen, dass Glaube doch etwas mit meiner Leistung und meinem Edelmut zu tun hat?
  • Wie ist das mit dem Heiligen Geist bei uns? Paulus sagt ja gerade, dass nicht die Person den Heiligen Geist bekommt, die immer anständig ist, sondern die, die auf die „Predigt vom Glauben“ gehört hat (wörtlich: „das, was ihr vom Glauben gehört habt“).
  • Die schwierigste Frage ist vielleicht die, wie es sein kann, dass wir uns immer wieder diesen Fragen stellen müssen, obwohl wir eigentlich wissen, dass wir uns von so einer Art Glaube nicht „verhexen“ lassen sollten. Offensichtlich schützt Glaube nicht vor (dieser) Dummheit.
  • Wir alle haben wohl schon geistliche Erfahrungen mit Gott gemacht haben, wo wir spürten, wir sind beschenkte, bedingungslos geliebte Wesen sind. Wie kommt es, dass wir dennoch immer wieder in die „Gesetzlichkeitsfalle“ tappen?
  • Und immer wieder der Blick auf Jesus. Er handelt an uns, wenn wir an ihn glauben, auf ihn vertrauen, auf ihn setzen und nicht dann, wenn wir fromme Leistung erbringen. Warum fällt es uns immer wieder so schwer, das anzunehmen und damit zu leben?

Allein diese Fragen reichen schon dazu, ein abendfüllendes Gespräch zu eröffnen. Natürlich ist es genauso wertvoll, auch nochmals einen Blick auf die von Paulus genannten Glaubensgrundlagen zu werfen. Vielleicht mal mit den Teilnehmern alle Bibelstellen nachzuschlagen, die Paulus zitiert und seiner Argumentationslinie zu folgen. Dann wird uns eventuell neu klar und wieder bewusster und wertvoller: Der Glaube, das vertrauensvolle Setzen auf Gott und seine Möglichkeiten, auf Jesus und seine vergebende Liebe, auf den Heiligen Geist und seine gestalterischen Fähigkeiten in meinem Leben, ist nicht abhängig von dem, was ich erbringe, sondern davon, ob ich mich von ganzem Herzen darauf einlasse. Abraham
hatte das tatsächlich schon kapiert. Und wir dürfen es auch immer wieder neu tun.

Corenlius Haefele, Personalvorstand bei den Apis

Die Kurzbibelschule zum Galaterbrief
In vier Videos entfaltet Martin Schrott den Galaterbrief. Die Videos sowie umfangreiches Material dazu gibt es kostenlos auf der Website von bibelbeweger.de
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