Texterklärung

Paulus führt genauer aus, was es heißt, „Kind Gottes“ zu sein. Es ist der dritte Vergleich, mit dem Paulus verdeutlicht, was sich durch ein Leben mit Jesus Christus ändert. Er erläutert damit vertieft noch einmal seine Ausführungen in 3,23-29. Besonders auffallend ist die Entwicklung, die Paulus beschreibt: Ein Mensch wird vom Unmündigen zum Mündigen, vom versklavten zum freien Menschen, vom unwürdigen Knecht zum würdevollen Kind Gottes. Also ein Kind, das sich vertrauensvoll in die Hände des Vaters geben darf und zu Gottes Familie gehört. Der Beginn dieser Wendung ist die Geburt Jesu Christi, den der Vater in die Welt gesandt hat.

Mit Weihnachten vom unmündigen zum freien Menschen werden

Der Begriff „unmündig“ meint ein Leben, das sich von anderen Göttern oder vom Gesetz der Thora abhängig macht. Unmündig, weil man unter dem Zwang steht, dass man nicht selbst über das eigene Leben bestimmen kann und von zweifelhaften Dingen gefangen genommen wird. Weder andere Götter noch das Gesetz, das die Übertretungen des Menschen aufzeigt und ihn damit als Sünder überführt, können Freiheit und damit Leben mit sich bringen. Doch Paulus kann feststellen, dass sich Zugehörigkeit ändern kann: Ein Mensch kann frei vom Vormund des Gesetzes und sogar Kind Gottes werden.

Der Wendepunkt dabei ist Weihnachten – „als die Zeit erfüllt war“. Denn mit Weihnachten griff Gott in den Lauf dieser Welt ein. Er sandte seinen Sohn, damit wir Menschen in den Stand von Töchtern und Söhnen Gottes gehoben werden können. Damit wir ganz zu Gott gehören können. Jesus selbst nahm unsere Abhängigkeiten und unsere Schuld, die uns unfrei machen, auf sich und schenkte durch das Kreuz die Möglichkeit, ein wirklich freies und mündiges Kind zu werden. Ein Kind Gottes, das gleichzeitig Erbe ist – also Anteil hat am verheißenen Segen, d. h. am endgültigen Heil (3,18.19). Ein Kind, das zu Gott gehört und alles von Gott empfängt. Mit Weihnachten fängt – nicht nur kalendarisch – eine neue Zeitrechnung an: Durch Jesus Christus dürfen wir uns als Töchter und Söhne Gottes verstehen, die vom Vormund (Gesetz) befreit sind und keiner fremden Macht mehr unterworfen sind. Wir sind Teil der Familie Gottes und stehen unter seinem Schutz.

Weihnachten als Möglichkeit, Familienverhältnisse neu zu klären

„Zu wem gehörst du?“, fragt man in schwäbischen Gefilden oft, um zu erfragen, zu welcher Familie man gehört. „Zu wem gehört ihr?“, fragt Paulus im übertragenen Sinne die Galater. Paulus sieht, wie die Menschen sich von ihren schlechten Gewohnheiten abhängig machen. Dass sie sich abhängig machen von Dingen, die ihnen nicht guttun oder dass sie nicht frei werden von der Überzeugung, dass man das Heil durch Gesetzesfrömmigkeit zu erlangen hat. „Zu wem gehört ihr?“, sind auch wir gefragt. „Wer bestimmt über euch?“, fordert uns Paulus heraus.

Und gleichzeitig eröffnet uns Paulus einen Blick auf Weihnachten, der uns mit Freude erfüllt: Es ist „Christfest“ – weil wir feiern können, dass Jesus auf diese Welt kam! Er kam mit dem Ziel, uns zu Gottes Kindern zu machen. Der, der zu Gott gehört, gibt sich in diese Welt und für diese Welt hin, um uns fest zu Gott gehören zu lassen. Kinder, die für immer Teil der Familie Gottes sein werden. Kinder, die sich ganz neu ihrem himmlischen Vater anvertrauen dürfen. Kinder, denen „Heil und Leben“ zugesagt wird und Kinder, die zum heiligen Gott „Papa“ (Übersetzung von „Abba“) sagen dürfen! Kinder, die in Freiheit leben dürfen, weil sie den Heiligen Geist im Herzen haben (V. 6).

Zu wem gehöre ich? Es ist Christfest – und damit auch für mich die Möglichkeit, noch einmal ganz neu zum freien Kind Gottes zu werden.

Fragen zum Gespräch
  • Wie antworte ich intuitiv auf die Frage: „Zu wem gehörst du?“
  • Wo erlebe ich in meinem Leben Dinge, von denen ich mich abhängig mache? Von welchen
    Abhängigkeiten möchte ich in Zukunft nicht mehr „versklavt“ werden? (Bei Gruppen: Möglichkeit,
    je nach Zusammensetzung, hier füreinander zu beten.)
  • Wie sieht es konkret aus, sich als Kind Gottes zu verstehen? Gibt es Erfahrungen (auch von anderen),
    wo dieses „Kind sein können“ gut gelingt?
  • Die Bezeichnung „Abba“ (aramäisch für das kindliche „Papa“) für den heiligen Gott Israels war für
    viele Menschen anstößig. Inwiefern hat diese vertrauensvolle Anrede für mich eine Berechtigung –
    oder auch nicht?

Philipp Kuttler, Pfarrer, Kleinglattbach

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