Texterklärung

Paulus nimmt sich im 1. Korintherbrief Zeit, „falsches Verhalten der Gemeinde“ in Korinth aufzuzeigen (in Kap. 5 und 6). Im 6. Kapitel (V. 1-11) prangert Paulus den Umgang mit Rechtsstreitigkeiten innerhalb der
Gemeinde an. Die griechische Welt – und dazu gehören auch die Korinther – war bekannt für ihre Liebe zu
Rechtsstreitigkeiten. Jede Uneinigkeit führte zu langen gerichtlichen Auseinandersetzungen. Ja, es war zur damaligen Zeit ein schöner Zeitvertreib, sich als freier griechischer Mann Rechtsfällen zu widmen, um diese zu beurteilen.

Was ist das Problem?

Die Gemeinde in Korinth hält sehr viel von sich. Dies macht sie blind für die Dinge, die ein christliches Leben stört oder gar zerstört. Auch wenn es unangenehm für die Gemeinde sein mag, tut Paulus ihr doch einen sehr wichtigen Dienst, indem er die äußerst gefährlichen Sünden in dieser Gemeinde beim Namen nennt. Er öffnet den Korinthern die Augen für ihren wahren Zustand.

Die offenkundigen Sünden der Gemeinde in Korinth hat Paulus bereits in Kapitel 5 aufgedeckt. In Kapitel 6, 1-11 erfahren wir nun, dass vor allem die gelebte Geschwisterliebe in der Praxis großen Schaden nimmt. Paulus spricht die Korinther auf ihre Liebe zu Rechtsstreitigkeiten an. Das Problem: Die Gemeindeglieder tragen ihre Rechtsstreitigkeiten vor weltlichen Gerichten aus und klären sie somit nicht in der Weise, wie Jesus es ihnen vorgelebt hat.

In Epheser 4,2 wird gut beschrieben, wie wir als Glaubensgeschwister miteinander umgehen sollen: „Erhebt euch nicht über andere, sondern seid immer freundlich. Habt Geduld und sucht in Liebe miteinander auszukommen.“ Die Sünde dieser Gemeinde ist, dass Glaubensgeschwister es „wagen“, ihre Rechtsstreitigkeit untereinander in weltlichen Gerichten zu klären, statt sie innerhalb der „Gemeindemauern“ zu lösen.

Unterschied von Heiligen und Ungerechten

Paulus ist erschrocken darüber, wie Heilige (Bezeichnung für die Anhänger von Jesus) es zulassen können, dass „Ungerechte“ (V. 1) über die „Heiligen“ (V. 1) richten dürfen. Damit verleugnen die Christen alles, was sie durch Christus geworden sind, nämlich Heilige! Draußen sind die „Ungerechten“. Sie sind es, die Gottes Willen nicht kennen (wollen). Sie brauchen die Gerichte, welche sie selbst vor dem anderen schützen, weil sie eben keine geschwisterliche Gemeinschaft haben wie die Heiligen. Paulus ist damit herausgefordert, dass sich die „Heiligen“ in Korinth mit den „Nichtgläubigen“ gleichmachen.

Wer richtet die Welt?

In Kapitel 6,2-3 lesen wir, wer einmal diese Welt richten wird. Es sind nicht die weltlichen Gerichte, welche die Menschheit einmal richten werden, sondern es sind die Christen zusammen mit ihrem Herrn Jesus Christus. Dies wird bereits im Alten Testament bezeugt (5Mo 7,22; vgl. auch Mt 19,28). Selbst das Urteil über die Engel werden die Heiligen einmal sprechen (2Petr 2,4).

Ausgehend von dieser Tatsache formuliert Paulus zwei Aussagen an die Gemeinde in Korinth:
1. Wenn ihr einmal die ganze Welt mitrichten werdet, dann könnt ihr doch jetzt schon eure geringfügigen Rechtsstreitigkeiten selbst lösen (1Kor 6,3).
2. Wenn ihr einmal über den Engeln stehen werdet, wieviel mehr solltet ihr jetzt schon fähig sein, eure
alltäglichen Streitigkeiten beizulegen?
Das Verhalten der Korinther zeigt, dass sie noch gar nicht recht begriffen haben, was sie mit der Heiligung
erlangt haben.

Warum lasst ihr euch nicht lieber Unrecht tun?

Das Wort „Mangel“ (6,7-8) kommt im Griechischen aus der Rechtssprache und meint wörtlich: „Niederlage“. In einem Prozess bedeutet dies „unterliegen“. Die tiefe Schädigung einer christlichen Gemeinde liegt bereits darin, dass Glaubensgeschwister überhaupt in einen solchen Rechtsstreit ziehen.

Das ist nicht die Art von Jesus, folglich sollte es auch keine Art der Jünger Jesu sein. Jesus hat vorgelebt, dass es besser ist, Unrecht zu ertragen und übervorteilt zu werden. Das unterscheidet die Christen von der Welt. Sie sind eben nicht auf ihren eigenen Vorteil bedacht und sie bereichern sich auch nicht auf Kosten anderer.

Fragen zum Gespräch
  • Wo und mit wem klären wir Rechtsstreitigkeiten, die innerhalb unserer Gemeinde auftreten? An welchen Orten und mit welchen Personen?
  • Konflikte entstehen immer wieder. Wie könnten wir sie lösen als „Heilige“, ohne ein „Ungerechter“ (V. 1) zu werden?
  • Habe ich schon einmal erlebt, dass Streitigkeiten unter Glaubensgeschwistern innerhalb der Gemeinde gelöst wurden? Wie konnte der Streit beigelegt werden?
  • Bin ich bereit zu unterliegen, eine Niederlage hinzunehmen, auf meinen Vorteil zu verzichten?

Raphael Schmauder

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