In Vielfalt geeint. So lautet das Motto der Europäischen Union. Im Jahr 2000 wurde es im Zuge eines Wettbewerbs ausgewählt und gilt seitdem neben der Europaflagge als Symbol für den europäischen Staatenverbund: Viele unterschiedliche Staaten bilden zusammen eine geeinte Gemeinschaft. In Vielfalt geeint. So könnte auch die Überschrift von Epheser 4,1-16 lauten, denn darum geht es in diesem Text: Viele unterschiedliche Christen bilden zusammen eine geeinte Gemeinschaft.

Texterklärung

Mit Epheser 4 beginnt der zweite Teil des Epheserbriefs. Während im ersten Briefteil der Inhalt und das Wesen des Glaubens entfaltet wurde, stellt sich im zweiten Briefteil die Frage: Wie sieht ein Leben nun konkret aus, das von Gottes Gnade geprägt ist? Wie können und sollen Christen in dieser Welt leben? In Epheser 4,1-16 wird deutlich: Christen leben in einer geeinten Gemeinschaft, sie sind allesamt Teil der christlichen Gemeinde. Aber wie können sie – trotz aller Unterschiedlichkeit – gut und gedeihlich zusammen sein?

Ermahnung mit Herz

Vers 1 beginnt mit dem gewichtigen „So ermahne ich euch“. Schaut man auf die Bedeutung des griechischen Wortes parakaleo, so stellt man fest, dass es sich hierbei nicht um eine moralische Zurechtweisung handelt, denn parakaleo kann auch mit „bitten, ermutigen“ oder gar mit „trösten“ übersetzt werden. Ermahnung biblisch verstanden, hat daher immer auch einen motivierenden, stärkenden und zurüstenden Charakter, ganz nach dem Motto: „Der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden“ (Phil 1,6).

Die erste Aktivität geht also immer von Gott aus, nicht von den Menschen: Er fängt das gute Werk an; er beruft Menschen, die zunächst einmal passiv sind (Eph 4,1). Das rechte Verhalten, zu dem ermahnt wird, ist demnach nicht die Voraussetzung, sondern die Folge der Berufung. Christen sind nicht Menschen, die bestimmte Regeln befolgen, sondern sie sind Menschen, die in einer Beziehung zu Gott leben, die von ihm berufen wurden und damit ein- und dieselbe Hoffnung haben. Christsein meint also kein Verhalten, sondern ein Verhältnis.

Vor allem Einheit

Die Einheit der Gemeinde wird im Epheserbrief besonders betont. In den Versen 4-6 finden wir insgesamt
sieben Mal die Exklusivpartikel „ein/eine“, die sich alle auf den dreieinigen Gott und die christliche Gemeinde beziehen. Die Einheit der Gemeinde gründet also nicht in der Gleichheit und gegenseitigen Sympathie ihrer Mitglieder, sondern in der Liebe Gottes zu allen Menschen. Die Einheit muss daher nicht erst geschaffen werden, sondern sie besteht bereits! Und sie ist nicht als Gleichförmigkeit zu verstehen, sondern als ein vielfältiges Beziehungsgefüge, als ein organisches und dynamisches Ganzes.

Veranschaulicht wird dies in den Versen 11-16 mit dem Bild des Leibes: So wie ein menschlicher Körper aus vielen verschiedenen Gliedern besteht, die alle unterschiedliche Aufgaben haben und von einem Kopf
gesteuert werden, so ist auch die christliche Gemeinde ein lebendiger Organismus aus vielen verschiedenen (Gemeinde-) Gliedern, die alle von einem Haupt, von Jesus Christus, gesteuert werden.

Gott mag Ämter

Außerdem wird deutlich, dass es in der christlichen Gemeinde eine Vielfalt an Ämtern und Aufgaben gibt. In Vers 11 werden diejenigen Ämter aufgezählt, die mit der Verkündigung und Lehre des Wortes Gottes zu tun haben: Apostel, Propheten, Evangelisten, Hirten und Lehrer. Sie alle haben die Aufgabe, Gottes Botschaft weiterzusagen und dadurch die Gemeinde aufzubauen, sie zu lehren und zu leiten. Auch hier ist entscheidend: Bevor die Christen ein Amt oder eine Aufgabe übernehmen, werden sie dafür zugerüstet und – im wahrsten Sinne des Wortes – von Gott dafür begabt. Jeder wird von Gott mit seiner Gnade beschenkt, um am Wachstum der Gemeinde mitwirken zu können. Damit wird deutlich: Die christliche Gemeinde ist niemals „fertig“. Der Leib Christi ist niemals ein abgeschlossenes Ganzes, sondern er ist zeitlebens im Wachstum begriffen (Eph 4,15f.).

Fragen zum Text:
  • In Vielfalt geeint (V. 3)! Können wir erkennen und benennen, was unsere christliche Gemeinde / Gemeinschaft eint? Was können wir praktisch tun, um die erwähnte „Einigkeit im Geist“ zu wahren? Gibt es in unserer Gemeinde / Gemeinschaft auch ein „Band des Friedens“?
  • Jeder ist begabt (V. 7)! Was sind unsere Gaben? Welche Begabungen entdecken wir bei unseren Mitchristen? Sich gegenseitig Begabungen rückzumelden, ist wohltuend, stärkend und „macht, dass der Leib wächst“ (V. 16)!

David Dengler, Pfarrer

In unserer neuen Reihe eröffnen wir einen ganz neuen Zugang zum Epheserbrief.
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