Texterklärung

Der Text gliedert sich in zwei Teile: In den Versen 17-24 spricht Paulus vom alten und neuen Menschen. Es geht um den Unterschied zwischen denjenigen, die an Gott glauben, und denen, die das nicht tun. In den Versen 25-32 geht es um die Auswirkungen, die der Glaube im Alltagsleben hat. Dabei gibt Paulus praktische Anleitungen, wie sich die Gläubigen verhalten sollen. Es ist insgesamt ein sehr herausfordernder Text. Denn der erste Teil erscheint wie eine Schwarz-Weiß-Zuteilung – die einen hier, die anderen da. Der zweite Teil gibt eine steile Vorlage für das Alltagsverhalten von Christen. Wer kann das schaffen?

Der „alte“ Mensch

In den Paulusbriefen begegnen wir immer wieder der Beschreibung des „alten“ Menschen – gemeint sind
die Menschen, die nicht nach Gott fragen. Paulus beschreibt, wie sie abstumpfen, zügellos und habgierig sind, bereit zu machtgierigem Handeln. Im Römerbrief mündet diese Beschreibung in den Satz: „Es ist niemand, der Gutes tut. Sie sind allzumal Sünder.“ (Röm 3,23)

Das ist eine harte Rede, die mich betroffen macht. Es macht mich auch immer wieder betroffen, wenn ich solchem Reden in Gesprächen begegne: Da sind Leute, die sich vermeintlich selbst für gut halten, aber über die Verantwortlichen in Wirtschaft, Kirche und Politik schimpfen und schlecht reden. Da sind Christen, die sehr klar trennen zwischen den Gläubigen hier und der Welt dort. Manchmal wird getrennt in diejenigen, die richtig glauben, und diejenigen, die falsch glauben. Wollte Paulus diese Abgrenzung bzw. dieses Schubladendenken mit seinen Briefen erreichen?

Der Blick auf mich selbst

Ich denke, dass Paulus mit seinen Briefen keine Überheblichkeit der Gläubigen gegenüber den Nichtgläubigen befördern wollte. Er wollte vielmehr den Blick der Gemeinde und des Einzelnen auf sich selbst richten, um zu merken: Die Sünde steckt in uns allen! Nicht nur die anderen, von denen wir in der Zeitung lesen und in den Nachrichten hören, handeln oft eigensüchtig und machtgierig. Auch mir passiert das im alltäglichen Reden, Denken und Handeln. Deswegen braucht es zunächst bei mir selbst die tägliche Erneuerung. So wie ich meinen Körper dusche und frische Kleider anziehe, so soll auch der „inwendige Mensch“ – mein Charakter, meine Persönlichkeit, mein Wesen von Jesus Christus und dem Heiligen Geist immer wieder neu gewaschen und gekleidet, d. h. geprägt werden. Paulus möchte kein Schwarz-Weiß-Denken in uns fördern. Er fordert uns heraus, zu prüfen und zu fragen: Wie authentisch und echt lebe ich meinen Glauben?

Das neue Kleid

Mir gefällt das Bild vom Anziehen des neuen Gewandes. Es erinnert mich an den Film „Plötzlich Prinzessin“: Mia erfährt unerwartet, dass sie königlicher Abstammung ist. Als ihre Großmutter, die Königin, Mia zu sich ins Schloss holt, fällt es der jungen Frau nicht leicht, das königliche Leben zu erlernen. Sie fällt immer wieder zurück in alte Verhaltensmuster.

Heute kennen wir das eher von Menschen, die plötzlich in einer anderen Kultur leben müssen. Auch von ihnen wird erwartet, sich an eine andere Lebensweise anzupassen – was oft nicht leicht fällt. Manchmal gelingt es eher im öffentlichen Leben, zu Hause aber lebt man wieder in seiner Ursprungskultur. Geht es uns im Glauben und in der Gemeinde nicht auch immer wieder so? Sollten wir uns da nicht fragen, welchen Kulturmix aus göttlichem und menschlichem Denken wir wirklich leben? Habe ich denn den „alten Menschen“ schon ganz ausgezogen und in allen Teilen gegen die neue, göttliche Kleidung eingetauscht? Wer könnte das von sich behaupten

Der Blick in den Spiegel

Ich denke, dass die meisten noch alte Teile tragen, zumindest ein altes Unterhemd oder alte Socken. Denn
ganz leicht passiert es, dass wir blinde Flecken haben, die wir selbst nicht bemerken. Da werden nun die Verse 25–32 aus Epheser 4 relevant. Hier hält uns Paulus einen Spiegel vor, in dem wir unser Leben betrachten und prüfen können. Wie halte ich es denn wirklich mit der Lüge, dem Zorn, der Verbitterung und der Vergebung? Welche Worte prägen mein Reden? Welche Einstellung prägt tatsächlich mein Handeln? Immer wieder ermutigt Paulus die Gläubigen in seinen Briefen, aufeinander zu achten, sich gegenseitig zu ermutigen und zu ermahnen. Das ist eine ganz praktische Anleitung für die Gemeinschaft von Christen.

Fragen zum Gespräch
  • Wo sind wir bzw. wo bin ich in der Gefahr, Menschen in Schubladen zu stecken und in einem Schwarz-Weiß-Denken zu verfallen?
  • In welchen Lebensbereichen und Glaubensfragen habe ich den alten Menschen schon abgelegt und wo pflege ich möglicherweise sogar einen heuchlerischen, göttlich-menschlichen Kulturmix?
  • Sind wir als Christen in unserer Gemeinschaft oder im Hauskreis so vertrauensvoll miteinander unterwegs, dass wir auch über blinde Flecken reden können?
Hörtipp:

„Wegfinder – Jesus folgen in einer komplexen Welt“, Podcast von Jörg Dechert und
Uwe Heimowski, ERF – Der Sinnsender, Folge 29: Warum sind die Kirchen leer?

Elisabeth Binder, Musikpädagogin und Leiterin der Musikschule Hoffnungsland

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