Texterklärung

Im ersten Kapitel hat der Prophet das Volk auf sein Vergehen und das folgende Gericht angesprochen. In Kapitel 2 ab Vers 6 steht der Tag des Herrn wieder im Mittelpunkt. Doch das Negative darf den grandiosen
Ausblick für die Völker nicht verdrängen. Der Ernst der Lage soll nicht über die große Hoffnung auf bessere Zeiten hinwegtäuschen. Jesaja verharrt nicht bei der Anklage, sondern fordert zur Umkehr auf. Der barmherzige Gott kann „es sich gereuen lassen“. Die Gerichtspropheten Jesaja und Micha kündigen das große Friedensreich für die ganze Welt an.

Hoffnung für die Völker (Vers 1-5)

Wie in Micha 4,1-4 wird eine große Heilszusage verkündet. Zur letzten Zeit erwartet Jesaja nicht das katastrophale Ende, sondern die Vollendung der Geschichte. Es wird keine Aufforderung an die Welt nötig sein. Die Völker werden in Jerusalem die Weisung Gottes suchen, denn Gott erreicht sein großes Ziel. Konkret wirkt sich die Neuorientierung auf dem Berg Gottes darin aus, dass Schwerter zu Pflugscharen und Spieße zu Sicheln umgestaltet werden. Kriegswaffen werden in landwirtschaftliche Werkzeuge umgearbeitet. Diese Hoffnung auf Frieden wirkt sich in der Gegenwart aus. Das Haus Jakob soll aufgrund dieser Zukunftserwartung neuen Mut fassen und im Licht des Herrn wandeln. Die letzte Zeit hat mit Jesus begonnen. Denn er sagt von sich: „Ich bin das Licht der Welt.“ Die Morgendämmerung dieser neuen Zeit wird in der weltweiten Christenheit schon erlebt.

Anpassung an die Welt und irdischer Reichtum helfen nicht (Vers 6–9)

Die Gegenwart sieht schlecht aus. Das Volk Israel muss das Gericht Gottes ertragen. Der Grund liegt darin, dass sie ihren Lebensstil an die Lebensweise ihrer Nachbarn angepasst haben. Sie übernehmen den Aberglauben und erschaffen sich Götzen. Scheinbar haben sie den Segen auf ihrer Seite. Ihr Land ist voll Silber und Gold. Sie besitzen viele Pferde und Wagen. Der materielle Reichtum kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht Gott, sondern ihre, mit eigenen Händen hergestellten Werke angebetet und Mitmenschen erniedrigt werden. Manchmal ist es ein schleichender Prozess, dass Gott an die Seite gedrängt wird.

Der Tag des Herrn offenbart Gottes Herrlichkeit (Vers 10–19)

Die Hörer der Gerichtspredigt werden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. Sie sollen sich vor dem
Schrecken des Herrn und vor seiner herrlichen Majestät verbergen. Das Erschrecken über Gott und seine Größe erinnert an die Berufung des Jesaja, der bekennt (6,5): „Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen.“ Wenn Menschen in dieser Weise ihre dunkle Seite wahrnehmen und ihre Schwäche vor Gott zugeben, dann ist neue Hoffnung vorhanden. Denn wir alle müssen unseren Hochmut erkennen, Gott allein ist groß und mächtig. In fünf Paaren – Zedern auf dem Libanon und Eichen in Baschan; hohe Berge und erhabene Hügel; hohe Türme und feste Mauern; Tarsisschiffe und kostbare Boote, Hoffart der Menschen und stolzen Männern – wird vor Augen gestellt, wer und was sich demütigen muss. Alles, was den Menschen durch seine Größe beeindrucken kann, wird klein und gering. Alle menschliche Größe wird gering. Gott allein wird in seiner herrlichen Majestät triumphieren. Mit diesem Triumph haben alle Götzen ihren Glanz, ihre Anziehungskraft verloren. Steht in Vers 10 noch die Anweisung „geh“, heißt es in Vers 19: „Da wird man in die Höhlen der Felsen gehen.“ Eine Aufforderung ist nicht mehr nötig. Das Erschrecken ist so groß, dass man sich von selbst verbirgt. Über Gottes Größe werden wir staunen.

Die Vernichtung der Götzen (Vers 20–22)

Ein drittes Mal nach Vers 8 und 18 werden die Götzen thematisiert. Ihre Nichtigkeit wird erkannt, sodass sie wie Abfall weggeworfen werden. Die Fledermaus galt (3Mo 11,19 und 5Mo 14,18) als unreines Tier. Trotzdem wurde aus edlem Metall nach ihrem Bild eine Kunstfigur geschaffen. Durch die dreifache Wiederholung wird deutlich, wer am Ende das Feld beherrscht. Es heißt erneut: „Vor dem Schrecken des Herrn und vor seiner herrlichen Majestät“ werden sich die Menschen verbergen. Die herrliche Gegenwart Gottes lehrt uns, die Dinge dieser Welt richtig zu beurteilen.

Fragen zum Gespräch
  • Wie können wir im Frieden leben?
  • Was unterscheidet einen sparsamen Lebensstil vom Geiz?
  • Welche Götzen werden heute verehrt?
  • Leben wir in dem Bewusstsein, dass Gott über unser Leben richtet?

Stefan Lämmer, Pfarrer i.R.

Diesen Beitrag teilen