Texterklärung

Jesaja spricht im Auftrag Gottes in eine Zeit hinein, in der Israel (als Nord- und Südreich) voller Angst auf die Völker und Mächte ringsumher starrt, Gott vergisst und anderswo Hilfe sucht. Aber Leben ohne Gott führt in Angst und Dunkelheit (8,20ff.). Da hinein erklingt die Verheißung von Gottes großem Licht, das in der Geburt eines göttlichen Kindes (9,1ff.) hell aufleuchtet. In 8,23 ist die Rede von Stämmen des Nordreichs (Sebulon und Naftali) und ihres Gebiets in Galiläa. In Matthäus 4,15 wird die Erfüllung berichtet: Gerade hier, im „Galiläa der Heiden“, beginnt Jesus seine Wirksamkeit!

Gefangen im Dunkel der Angst

Zeitgeschichtlich befinden wir uns etwa um 730 v. Chr. Jesaja wirkt im Südreich (Juda / Jerusalem). Was im
Nordreich (Samaria) geschieht, wird immer wieder zur Warnung für das Südreich herangezogen; dazu gehört wohl auch, was in 8,20f. beschrieben wird. 8,22 endet mit einer düsteren Feststellung: „… denn sie sind im Dunkel der Angst und gehen irre im Finstern.“ Eine Situationsbeschreibung, die wir nur zu gut nachvollziehen können: Wir schauen voller Schrecken auf den Krieg in der Ukraine und fürchten uns vor einer möglichen Ausweitung. Wir sorgen uns um die Einheit in unserer Gesellschaft und fragen uns, wohin das alles noch führt. Dazu kommt die Angst vor Krankheit, Beziehungskrisen und manchem mehr.

Das Wort „Angst“ kommt von „Enge“. Angst macht eng, schnürt die Kehle zu. Angst ist wie in einer dunklen Höhle, aus der man keinen Weg mehr findet. Dunkelheit und Angst werden hier in eins gesetzt. Hier bei Jesaja wird durch die umgebenden Texte deutlich: Dieses Dunkel, diese Angst, ist eine Folge der Abkehr von Gott. Woran soll man sich denn halten, wenn man Gott den Rücken gekehrt hat? Manfred Siebald sagt es so: „Es geht ohne Gott in die Dunkelheit, aber mit ihm gehen wir ins Licht. Sind wir ohne Gott, macht die Angst sich breit, aber mit ihm fürchten wir uns nicht …“

Licht ist stärker als Dunkelheit

Mitten in das Dunkel der Angst hinein leuchtet die Verheißung in 8,23 und 9,1 auf: „Doch es wird nicht
dunkel bleiben über denen, die in Angst sind!“ Glauben wir das noch? Gott lässt uns nicht in unserer (selbstverschuldeten) Dunkelheit sitzen. Er zündet ein Licht an, das das Dunkel der Angst vertreibt. Licht ist stärker als Dunkelheit. Wir merken es, wenn wir in einem dunklen Raum auch nur eine Kerze anzünden. Der Retter wird verheißen.

Freude bricht sich Bahn

Wie Dunkelheit mit Angst gleichgesetzt wird, so Licht mit Freude: Jubel brandet auf, Freude breitet sich aus (9,2). Plötzlich wendet sich die Redeform und Gott wird angesprochen: „Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude!“ Anbetung wird spürbar, denn Gott selbst ist der Handelnde – so wie es auch am Ende von 9,6 noch einmal klar und deutlich ausgedrückt wird: „Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth“, dem nicht egal ist, wenn Menschen in Dunkel und Angst gefangen sitzen.

Grund der Freude: Jesus

Drei Begründungen dieses Jubels gibt es: Die Verse 3-5 beginnen jeweils mit „Denn …“ und gipfeln in „Denn uns ist ein Kind geboren …!“ In Perfektform steht diese Ankündigung, als ob sie bereits erfüllt wäre. So gewiss ist sie. Vermutlich war damals schon ein konkretes (Königs-) Kind gemeint (vgl. 7,14). Wir feiern an Weihnachten ihre eigentliche Erfüllung. Wirklich, Grund zum Jubeln und Freuen! Denn: Dieses „Weihnachtskind“ Jesus ist der Sohn, in dem Gott selbst kommt und uns aus der Rat-losigkeit, Kraft-losigkeit, Vater-losigkeit und Friede-losigkeit unseres Lebens herausholen will! Das machen seine Würdenamen (V. 5) deutlich.

Er bleibt ja nicht ein kleines Kind, sondern wird zum ewigen Herrscher. Doch seine Herrschaft wird eine
andere sein, als die der Machthaber damals und heute. Kein Kriegsgedröhn mehr (V. 4) – wie sehr sehnen wir uns danach! Kein drückendes Joch (9,3) – danke an alle, die sich im Namen Jesu gegen Menschenhandel und moderne Sklaverei einsetzen! „Der Stecken des Treibers ist zerbrochen“ (V. 3). Er hat auch uns Freiheit erkauft, indem er, der „Gott-Held“, sich erniedrigen, schlagen und ans Kreuz hängen ließ (vgl. Phil 2,6-11). Damit auch wir vor keinem „Treiber“ mehr kuschen müssen, sondern uns an Jesus hängen und uns auf seinen Sieg berufen können. Das soll sich auswirken in unserem Leben.

Fragen zum Gespräch
  • Im Lied von M. Siebald (GL 319) heißt es: „Sind wir ohne Gott, macht die Angst sich breit, aber mit ihm
    fürchten wir uns nicht.“ Stimmt das eigentlich? Wie wird das konkret?
  • In 9,5 werden vier Würdenamen für Jesus genannt, die etwas von seinem Wesen deutlich machen. Was sagen sie über ihn aus? Immer zwei Personen machen sich zusammen Gedanken über einen Namen. Anschließend tragen wir zusammen.
  • Wie passt das zusammen, dass Jesus den „Stecken des Treibers“ zerbricht – und doch Menschen sich für Gerechtigkeit und Freiheit einsetzen?

Marianne Dölker-Gruhler, Gemeinschaftsreferentin i.R.

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