Texterklärung

„Und aus allen hat mich der Herr erlöst.“ Diese Aussage trifft Paulus über die Verfolgungen und Leiden, die
er aufgrund seiner Jesusnachfolge erlitten hat. Paulus beschreibt die letzten Tage als eine wahrhaftig schlimme und böse Zeit. Damit bereitet er seinen Schüler Timotheus und auch uns auf solche Zeiten ganz nüchtern vor, damit wir nicht verzagen oder erschüttert sind. Er fordert Timotheus und uns dazu heraus, im Angesicht einer solchen Zeit als von Christus Erlöste zu leben und Jesus nachzufolgen.

Das Ende der Selbsttäuschung

Meines Erachtens gibt es zwei besonders populäre Grundhaltungen in Bezug auf die Beurteilung der Zeiten. Die erste nenne ich: die gute alte Zeit. Hier wird davon ausgegangen, dass früher alles besser war und heute alles schlimmer und böser ist. Die zweite nenne ich: die gute neue Zeit. Dabei wird alles Frühere als schlecht und böse abgetan und eine schöne, bessere, neue Welt in der Gegenwart und Zukunft gesehen.
Die Beschreibung ist natürlich stark vereinfacht, jedoch sind beide Haltungen auch immer trügerisch und neigen zur Selbsttäuschung. Denn allzu schnell kann dabei das Unrecht, die Schuld und die Gottlosigkeit der vermeintlich guten alten Zeit geleugnet, ignoriert und gerechtfertigt werden. Genauso kann die Selbsttäuschung auch dazu führen, sich über alle vorangegangenen Generationen zu erheben und zu meinen, dass die heile Welt mit einem selbst anfängt. Man könnte der Meinung sein, dass alle anderen Menschen nur böse sind und man selbst der Gute und Vollkommene ist. Dabei ist die Gefahr, dass man selbst – durchaus mit guten Absichten – unsägliches Böses und Schlechtes hervorbringt, schuldig wird und sich an Gott und dem Nächsten versündigt.

Der Mensch braucht die Erkenntnis der Wahrheit durch Gott (V. 7) und verfügt nicht von sich aus über diese. Das sollte auch uns stets demütig, bittend und fragend gegenüber Jesus Christus halten. Wir dürfen darauf vertrauen, dass es auch immer sichtbar (V. 9) werden wird, wenn sich schlechte und böse Entwicklungen etablieren.

Distanz zu schlechten Vorbildern

„Du bist immer ein Vorbild, entweder ein gutes oder ein schlechtes.“ Diese Aussage ist nicht angenehm, aber wahr. Und sie trifft auf jeden Menschen zu. Daraus ergibt sich für uns die Frage, welchen Menschen wir uns aussetzen und von wem wir uns prägen lassen. Paulus ermahnt uns und weist darauf hin, dass es Menschen gibt, die wir besser meiden sollen (V. 5). An anderer Stelle kann er davon sprechen, Sünden gegenüber zu fliehen (1Kor 6,18). Wir sind dazu berufen, in dieser Welt zu leben und Salz und Licht (Mt 5,13-16) zu sein und uns nicht in unsere kleine, sichere Welt zurückzuziehen oder gar aus der Welt zu scheiden (1Kor 5,10). Gleichzeitig gibt es Situationen und Menschen, bei denen wir gut daran tun, zu „fliehen“, uns ihnen nicht oder zumindest nicht unbedacht auszusetzen. Hier kann es hilfreich sein, darauf zu schauen, welche Frucht ein Mensch und sein Leben hervorbringt und zu prüfen, ob seine Gedanken und Ideen, seine Worte und Taten der Frucht des Geistes (Gal 5,22f.) entsprechen.

Nähe zu guten Vorbildern

Die Frucht des Lebens eines Menschen und die Frucht des Geistes (Gal 5,22f.) kann auch dazu dienen, gute
Vorbilder zu finden. Paulus lobt Timotheus dafür, dass er seinem Vorbild (V. 10) gefolgt ist. Dabei wird deutlich, dass Paulus als Vorbild im Guten dient.

Die Geschichten, als Paulus selbst ein Verfolger der Gemeinde war oder als er sich von Barnabas und Markus (Apg 15,39) trennte, werden in der Bibel berichtet und nicht schöngeredet. Bei vielen anderen Helden des Glaubens sind uns neben den großen Taten auch Berichte über ihr Scheitern und ihre Unzulänglichkeiten bekannt. Es gibt keinen Menschen, der ein vollkommen gutes Vorbild ist. Jedes gute Vorbild hat auch seine Makel, Schwächen und Sünden. Hier können wir bei einem guten Vorbild vom Umgang mit dem eigenen Versagen lernen. In der Bibel wird Schuld nicht übersehen, sondern ehrlich gezeigt. An diesen Stellen wird uns deutlich, wie wir es nicht machen wollen, sondern besser.

Fragen zum Gespräch
  • Welche Beispiele der Selbsttäuschung gibt es in der (Kirchen-)Geschichte und dem eigenen Leben?
  • Zu welchen schlechten Vorbildern mussten wir schon auf Distanz gehen?
  • Welche guten Vorbilder haben / hatten wir? Was konnten wir im Guten und Schlechten von ihnen lernen?

Simon Weigt, Gemeinschaftspastor

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