Seele in Erwartung (Vers 1-5)

„Es dürstet meine Seele nach dir“ – Davids Wunsch nach der Nähe Gottes prägt diesen außergewöhnlichen Psalm. David hat Durst nach Gott und er nimmt aufmerksam wahr, dass in der Wüste Juda nicht nur der Wassermangel den Menschen zu schaffen macht. Nein, die Brunnen der Frömmigkeit sind wohl recht ausgetrocknet. Die Wüste ist in jeder Beziehung „dürres Land“ geworden. Ihre Bewohner haben sich daran gewöhnt, ohne echtes Lebenswasser auszukommen (vgl. Joh 4,10-14). David ist vor seinem Sohn Absalom geflohen. Alle Fülle und Reichtum liegen hinter ihm. Doch nicht der Verlust der Krone wiegt für ihn schwer. Bedeutsamer wäre für ihn der Verlust der Nähe Gottes, ein Leben ohne ihn.

Seele in Kontakt (V. 6-9)

„Wie von Mark und Fett wird meine Seele gesättigt werden“ (nach ELB) – im zweiten Teil des Psalms wird
schnell klar, dass es bei David nicht bei einer unerfüllten Sehnsucht geblieben ist. Bemerkenswert ist die Verwendung von „Mark und Fett“. Als Abel dem Herrn ein Opfer gebracht hat, da gab er ihm „von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett“ (1Mo 4,4). Das Fett war der wertvollste Teil des Tieres. Darum heißt es später in 3. Mose 3,16: „Alles Fett gehört dem Herrn.“ Und wenn nun David betet: „Wie von Mark und Fett wird meine Seele gesättigt werden“, dann empfindet er ganz tief in seinem Herzen, das er das Beste empfangen hat, was ein Mensch hier auf Erden empfangen kann: Kontakt mit Gott. Immer wieder durfte David seinen ganz persönlichen Lobgesang anstimmen – mitten in der Wüste. Ja, er formuliert gerade hier in der Dürre ein feierliches Bekenntnis: „Ich will ihn loben mein Leben lang.“ Gerade jetzt in seiner äußerlich prekären Lage will er das noch einmal herausstellen: Mein Lobgesang lässt mich immer auf den Herrn schauen, egal was auch geschieht (vgl. auch Jos 24,15).

Gibt es auch in unserem Leben solche feierlichen Momente, wo wir uns Gott gegenüber erklären und
unverrückbare Grundlagen aussprechen? Die Konfirmation in jungen Jahren könnte ein Anlass sein.
Aber darüber hinaus? Im Alten Testament bauten die Väter des Glaubens in solchen Momenten dem Herrn einen Altar, Menschen wie Noah, Abraham oder Mose (1Mo 8,20; 12,7.8; 2Mo 17,15). Oder sie schlossen andere mit hinein in ihren Bund mit Gott und zeigten ihnen, wie man ihm dienen kann, ein ganzes Leben lang.

„Mein Leben lang“ – so hat es David ausgedrückt. Und auch heute noch ist das vielen Menschen ein Anliegen. Da geht ein frommer Mann hin, erwirbt zwei große Steintafeln und beginnt zu meißeln mit großer Geduld und viel Fingerfertigkeit. Am Ende kann man auf den Tafeln die 10 Gebote Gottes lesen und niemand wird wohl fragen, was der Künstler damit ausdrücken wollte.

Seele in Not (V. 10-12)

David spricht von Menschen, die ihm immer wieder Not bereitet und ihn regelrecht verfolgt haben. Er nennt keine Namen. Ihr Schicksal ist unbeschreiblich. Ob es Genugtuung ist, die David empfindet, können wir nur schwer beurteilen. Wer selbst bedroht worden ist an Leib und Leben oder Verfolgung um seines Glaubens willen erlebt hat, wird seine Emotionen verstehen. Als Christen fällt uns aber sofort Jesu Gebot zur Feindesliebe ein. Ob es uns gelingt, für Menschen zu beten, die uns selbst oder anderen Schmerzen zufügen? Ob es uns ein Anliegen werden kann, ihnen in der Liebe Jesu zu begegnen?

Wäre es dem König nicht möglich gewesen, seinen Feinden anders zu begegnen? Zweifelsfrei aber bleibt, dass Davids Freude allein in Gott besteht. Dies soll auch nicht durch jene getrübt werden, die ihn immer wieder vom Glauben abhalten wollten.

Freude an Gott – C.S. Lewis hat einmal ein Buch darüber geschrieben, wie er Christ geworden ist: „Surprised by Joy“ (Überrascht von Freude). Jeder Mensch soll diese Erfahrung machen. Und in der Gemeinde Jesu sollte diese Freude spürbar sein, vor allem anderen.

Bei diesem Satz wandert mein Blick auf ein kleines Bild aus Thailand, das mir ein treuer Freund auf Chrischona geschenkt hat. Er hat sein Missionsziel nicht erreicht und konnte nicht einmal seine Ausbildung abschließen, weil der Herr ihn vorher heimgerufen hat. Was ihm aber geschenkt worden ist, war seine Art, anderen Menschen zu begegnen. Mein Studienkollege war ein echter „Gehilfe zur Freude“, wie es auch der Apostel Paulus ausdrückt hat (2Kor 1,24).

Fragen zum Gespräch
  • Hand aufs Herz: Was sind unsere Sehnsuchtsorte? Macht es uns nachdenklich, an uns selbst zu erleben, wofür wir uns wirklich begeistern können – und wenn wir in die Gemeinde gehen, haben wir oft nur geringe Erwartungen?
  • Überrascht von Freude – gibt es diese Erfahrungen noch? Dann sollten wir das nicht für uns behalten!

Hermann J. Dreßen

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