Texterklärung

Paulus hat zuvor zum Leben aus der Kraft des Heiligen Geistes aufgefordert. Jetzt geht es in zwei Beispielen um die konkreten Konsequenzen für unser Miteinander als Christen. Wie gehen wir mit Mitchristen um, die einen Fehler begangen haben (V. 1-5)? Und: Auch wer geistliche Dienste in einer Gemeinde übernimmt, hat Anspruch, versorgt und unterstützt zu werden (V. 6-10). Mit seinem Abschiedsgruß schließlich fasst Paulus nochmals zusammen, was ihn zu seinem Schreiben angetrieben hat (V. 11-18).

Verurteilung ist fehl am Platz

Am Anfang seines Briefes hat Paulus diejenigen scharf verurteilt, die ein anderes, gesetzlich gegründetes
Evangelium lehren. Hier geht es nun aber nicht um das Heil. Jetzt geht es um Verfehlungen, die jede und jeden betreffen können. Deshalb ist auch jede Verurteilung fehl am Platz. Denn wozu hat Jesus sein Leben gelassen? Eben um uns aus der Schuldverstrickung zu befreien, um die Chance von Vergebung zur Entfaltung kommen zu lassen, um einen Neuanfang zu ermöglichen – immer wieder! Christen sind keine Perfektionisten! Sie sind vielmehr gerade daran erkennbar, dass sie von Vergebung leben. Mit Leben aus der Kraft des Geistes passt es nicht zusammen, wenn wir das eigene Verhalten recht fertigen, beschönigen oder verharmlosen, statt klar und mutig zu dem zu stehen, was geschehen ist.

Auffällig ist, dass Paulus nun aber nicht das Fehlverhalten an den Pranger stellt, sondern unsere Reaktionen darauf. Hartes Urteilen und lieblose Distanzierung sind eher zu erleben als sanftmütiges Zurechthelfen, Akzeptanz und Wertschätzung. Genau dafür aber ist Jesus selbst das Vorbild. Seine Liebe gibt den Maßstab vor („Gesetz Christi“). Es ist so leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen in der irrigen Meinung, selbst nicht betroffen zu sein. Wie bei der Begegnung Jesu mit der Ehebrecherin (Joh 8,2-11) kann den ersten Stein nur werfen, „wer ohne Sünde ist“!

Umso mehr kommt es darauf an, dass wir im demütigen Wissen um unsere eigenen Grenzen in Liebe und Verstehen zusammenstehen, um zu vergeben und aufzuhelfen (vgl. 1Joh 1,8f.). Die Last des anderen ist seine Schwachheit, aber auch meine Mühe, darauf verständnisvoll einzugehen.

Freigiebigkeit macht frei

Die frohe Botschaft von Jesus weiterzugeben und Menschen zu helfen, aus der Kraft des Glaubens zu leben, das kann zur Vollzeitberufung werden. Die Sorge um den Lebensunterhalt tritt dann dahinter zurück. Für Paulus, wie schon für die ersten Jünger (Lk 10,7; 1Kor 9,11), war das normal, ebenso die Erfahrung, vonseiten derer versorgt zu werden, denen das Evangelium vermittelt wird. Dabei geht es nicht – wie heute häufige Praxis – um erlebnisreiche Veranstaltungen und emotionale Höhepunkte. Vielmehr geht es um Verstehen und Vertiefen dessen, was Gottes Wort damals und heute bedeutet und zu sagen hat. Dazu ermahnt Paulus die Gemeinde, nicht knausrig zu sein. Die Logik dabei: Wer kärglich säht, wird am Ende auch kärglich ernten (vgl. 5,21). Wer reich von Gott empfängt, hat auszuteilen. Man betrügt sich selbst, wenn die Angst, zu kurz zu kommen, die Verbundenheit untereinander belastet. Freigiebigkeit wirkt einladend – auch auf Außenstehende.

Nicht Selbstdarstellung, sondern Jesus vor Augen führen

Mit seiner eigenen Handschrift unter dem diktierten Brief (V. 11) wirft Paulus noch einmal seine ganze persönliche Autorität in die Waagschale. Glaubwürdige und zuverlässige Verkündigung des Evangeliums – auch in und mit dem Galater-Brief – führt Jesus und die Bedeutung seines Todes am Kreuz vor Augen. Wer diese Mitte mit dem Eindruck der eigenen Person oder eigener Meinungen überlagert, egal wie beeindruckend und überzeugend man wirken mag, baut keine Brücke zur neuen Schöpfung. Man bleibt beim alten Adam stehen. Wer zur neuen Schöpfung gehört, trägt in Liebe zum Frieden bei.

Fragen zum Gespräch

Das Gespräch über diesen Abschnitt erfordert Ehrlichkeit vor sich selbst und Mut, auch anderen gegenüber offen darüber zu reden. Das kann nur gelingen, wenn das Leben aus Vergebung Realität ist und man sich nicht vor den Urteilen anderer scheuen muss.

  • Warum tun wir uns so schwer, offen über eigene Fehler und Versagen zu sprechen?
  • Wie gehe ich mit eigenem Fehlverhalten um?
  • Was trage ich mit den Gütern, die Gott mir anvertraut hat, zum Gelingen von Gemeinschaft bei?
  • Welche Rolle spielen effektvolle und publikumswirksame Auftritte in meinem / unserem Miteinander als Christen?

Claus-Dieter Stoll, Dekan i.R.

Die Kurzbibelschule zum Galaterbrief
In vier Videos entfaltet Martin Schrott den Galaterbrief. Die Videos sowie umfangreiches Material dazu gibt es kostenlos auf der Website von bibelbeweger.de
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