Die christliche Lehre von Gott

Fragen über Fragen

Reli-Unterricht in der Grundschule. Der Lehrer fragt: „Wer hat den blinden Bartimäus geheilt?“ Ein Kind antwortet: „Gott!“ Ein anderes protestiert: „Nein, das war Jesus!“ – Ja, wer denn nun?
Im Gebetskreis betet eine Schwester: „Danke, Vater im Himmel, dass du für uns am Kreuz gestorben bist.“ Hm, der Vater im Himmel am Kreuz gestorben? Das hört sich seltsam an …
Ein Jugendlicher fragt verunsichert: „Dürfen wir überhaupt zum Heiligen Geist beten?“ Gute Frage!
Wir sehen: Auch unter Christen herrscht Verunsicherung. Ich bin überzeugt: Die Trinitätslehre kann Klarheit schaffen!

Wie kam es zur Trinitätslehre?

Die Lehre von Gottes Dreieinigkeit bzw. Dreifaltigkeit haben sich kluge Köpfe nicht einfach ausgedacht, um uns einen Knoten ins Gehirn zu machen. Diese Lehre hat sich den Kirchenvätern beim Untersuchen
der Bibel und in Auseinandersetzungen mit Irrlehren aufgedrängt. Sie hat sich quasi herauskristallisiert
als das richtige Verständnis der biblischen Aussagen über Gott, und zwar über Gott, den Vater, über Jesus, den Sohn Gottes, und über den Heiligen Geist, der laut Johannes 15,26 vom Vater ausgeht und vom Sohn gesandt wird.

Zugegeben: Die Trinitätslehre, wie wir sie vor allem mit den beiden großen, christlichen Glaubensbekenntnissen (Apostolisches und Nizänisches Glaubensbekenntnis) ausdrücken, steht so nicht direkt in der Bibel. Aber die Geschichte zeigt: Wer die biblischen Aussagen über Gott richtig versteht und in Beziehung zueinander setzt, der wird bei der Trinitätslehre herauskommen! Umgekehrt gilt: Wer nicht bei der Trinitätslehre herauskommt, wie z. B. die Zeugen Jehovas, der legt die biblischen Aussagen nicht richtig und konsequent aus. Insofern sind unsere guten alten Glaubensbekenntnisse bis heute ein genialer Gradmesser für gesunden biblischen Glauben!

Was sagt das Alte Testament zur Trinität?

Die Lehre von Gottes Dreieinigkeit wird von Christen entfaltet; die relevantesten Aussagen dazu finden sich demnach im Neuen Testament. Rückblickend erkennen Christen allerdings schon im Alten Testament Spuren von Gottes Wesen: „Der Geist Gottes schwebte über dem Wasser“, heißt es schon im zweiten Vers der Bibel (1Mo 1,2). Als kreativer, schöpferischer Geist ist er also von Anfang an da und wirkt. Wenn Gott am sechsten Schöpfungstag spricht: „Lasset uns Menschen machen!“ (1Mo 1,26) – könnte er damit vielleicht nicht nur seinen himmlischen Hofstaat, sondern sich selbst als Vater, Sohn und Geist gemeint haben? Die rätselhafte und zugleich wunderbare Begegnung Abrahams mit drei Männern in 1. Mose 18 lässt ebenfalls aufhorchen, denn Abraham spricht die drei mit „Herr“ an, als wären sie einer.

Die „Lösung“ dafür, wie sich die Einzigkeit Gottes mit der Göttlichkeit Jesus und des Heiligen Geistes verträgt, ist die Trinitätslehre!

Christian Lehmann

Im apokryphen, zwischentestamentlichen Buch der Weisheit wird diese als „eine Gefährtin Gottes“ bezeichnet, „und der Herr aller Dinge hat sie lieb“ (Weish 8,3). Wie eine Person in Gottes Gegenwart wird die Weisheit hier umschrieben, was sicherlich den Evangelisten Johannes inspiriert hat, ebenso von Jesus zu sprechen: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott“ (Joh 1,1).

Falsch wäre, wenn wir als Christen diese Stellen als Beweise für die Dreieinigkeit auslegten; vor allem gegenüber Juden. Mit den Augen unseres Glaubens erkennen wir darin in aller Bescheidenheit Hinweise auf das geheimnisvolle Wesen Gottes, nicht weniger, aber auch nicht mehr.

Was sagt das Neue Testament zur Trinität?

Johannes spricht in seinem Evangelium in frappierender Deutlichkeit von Jesus als Gottes göttlichem Sohn: „Gott war das Wort“ (Joh 1,1). Jesus selbst sagt von sich: „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30). Und in diese göttliche Einheit und Liebe von Vater und Sohn ist auch der Geist mit einbezogen und geht aus ihr hervor: „Der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen“, sagt Jesus, „der wird euch alles lehren“ (Joh 14,26). Im Philipperbrief gibt Paulus einen christlichen Hymnus wieder, mit dem offenbar schon sehr bald nach der Auferstehung die Göttlichkeit von Jesus besungen wurde: „Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und … ward den Menschen gleich“ (Phil 2,6-7). Und laut Matthäus hat Jesus selbst uns beauftragt, Menschen „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ zu taufen (Mt 28,19).

Wie kann man diese und viele weitere Aussagen über Jesus und den Heiligen Geist verstehen, wenn Gott sich doch als einer und einziger offenbart: „Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr, kein Gott ist außer mir“ (Jes 45,5)? Jesus selbst erkennt das ja mit dem Glaubensbekenntnis Israels an: „Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein“ (Mk 12,29). Nun, die „Lösung“ dafür, wie sich die Einzigkeit Gottes mit der Göttlichkeit Jesus und des Heiligen Geistes verträgt, ist die Trinitätslehre!

Was besagt die Trinitätslehre?

Die Trinitätslehre beschreibt den Gott der Bibel als „dreieinig“ oder „dreifaltig“. Gott ist also nicht „einfältig“, sondern dreifaltig; nicht einseitig, sondern quasi drei dimensional. Eigentlich müssten wir das Wort „Trinität“ nicht mit „Drei-Einigkeit“ übersetzen, sondern mit „Dreinigkeit“. Gott ist „dreins“!

Der christliche Schriftsteller Tertullian (ca. 150-220 n.Chr.) prägte mit seiner kurzen Formel, Gott sei „tres personae, una substantia“, das Ringen der Kirche um die richtigen Worte: In drei „Personen“, auf drei Weisen existiert und entfaltet sich Gott; Vater, Sohn und Heiliger Geist sind eines Wesens, sie bestehen in der gleichen göttlichen „Substanz“.

Die Skizze geht auf ein Renaissance- Gemälde von Jeronimo Cosida zurück, der damit die Trinitätslehre schlicht und klar auf den Punkt bringt: Der Vater ist Gott, der Sohn ist Gott, der Heilige Geist ist Gott – sie sind untrennbar eins. Gleichzeitig unterscheiden sie sich: Der Vater ist nicht der Sohn und nicht der Heilige Geist und dieser ist nicht der Sohn.

Was ist der Sinn der Trinitätslehre?

Mit der Trinitätslehre halten Christen an ihrem Glauben fest, dass in Jesus von Nazareth tatsächlich Gott selbst Mensch geworden ist und für uns gelebt und gelitten hat. Und dass Gott selbst durch seinen Heiligen Geist in uns lebt und unter uns wirkt. Gleichzeitig wehren sie damit den Vorwurf ab, sie verehrten drei Götter – einen Vorwurf, den der Islam bis heute erhebt. (Wobei im Koran in Sure 5 fälschlicherweise davon ausgegangen sind, dass Gott, Maria und Jesus diese drei Götter seien.)

Darüber hinaus können wir mithilfe der Trinitätslehre auf vielfältige Weise das Geheimnis und die Größe unseres Gottes bestaunen und seine überfließende Liebe zu uns entfalten: Gott, der Vater über uns, ist unser Schöpfer. Jesus, der Sohn, Gott bei uns, ist unser Erlöser. Der Heilige Geist, Gott in uns, ist unser Vollender. Wir sind voll und ganz mit hineingenommen in sein umfassendes Heilswirken! Die Trinitätslehre macht zudem Ernst mit der biblischen Überzeugung, dass Gott Liebe ist. Liebe richtet sich nämlich immer auf ein Gegenüber. Der dreieine Gott ist also in sich selbst Beziehung voller Liebe. Wenn er
diese Welt samt uns Menschen schafft, nach ihrem Fall rettet und schließlich vollendet, dann nicht etwa aus Langeweile oder weil er so einsam wäre, sondern aus übersprudelnder Liebe und Kreativität! Schließlich hält die Trinitätslehre das Bewusstsein wach, dass die Wirklichkeit Gottes unser Denken und unsere Logik übersteigt. Während bei uns 1+1+1=3 sind, gilt bei Gott 1+1+1=1. Wir können ihn beschreiben, aber nicht erklären!

Mithilfe der Trinitätslehre können wir auf vielfältige Weise das Geheimnis und die Größe unseres Gottes bestaunen und seine überfließende Liebe zu uns entfalten: Gott, der Vater über uns, ist unser Schöpfer. Jesus, der Sohn, Gott bei uns, ist unser Erlöser. Der Heilige Geist, Gott in uns, ist unser Vollender. Wir sind voll und ganz mit hineingenommen in sein umfassendes Heilswirken!

Christian Lehmann
Wie können wir die Dreieinigkeit Gottes umschreiben?

Es gibt viele interessante und passende Vergleiche und Bilder für das Phänomen „3 in 1“. Ganz klassisch ist da das eine Dreieck mit seinen drei Seiten. Dann Wasser in seinen drei Aggregatzuständen fest (Eis), flüssig und gasförmig (Dampf). Es gibt den einen Raum mit seinen drei Dimensionen Höhe, Breite und Tiefe. Mir persönlich leuchtet der Vergleich mit der Sonne besonders ein: Der Feuerball der Sonne (Gott, der Vater) leuchtet über uns. Die Strahlen der Sonne (Gott, der Sohn) kommen zu uns. Die Energie der Sonne (Gott, der Geist) wärmt uns. Dem Einfallsreichtum sind hier keine Grenzen gesetzt. Konfirmanden
kommen bisweilen auf noch ganz andere Ideen wie zum Beispiel Zahnpasta oder Duschgel mit dreifacher
Wirkung …

Antworten

Kommen wir zum Schluss noch einmal auf den Anfang zurück. Wer heilt Bartimäus? Beide Kinder haben Recht. Gott heilt ihn – nämlich durch und als Jesus! Ja, wir glauben an den „gekreuzigten Gott“ (Jürgen Moltmann). Dennoch starb nicht der Vater, sondern der Sohn am Kreuz, der darum ruft: „Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“ (Lk 23,46). Und schließlich: Ja, wir dürfen zum Heiligen Geist beten und ihn anrufen – ihn, „der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird“ (Nizänum).

Vor allem brauchen wir keine Angst haben, irgendetwas falsch zu machen. Denn der dreieinige Gott ist überbordende, unerschöpfliche Liebe, die uns mit unserem ach so begrenzten Verstand und unserer Verunsicherung erbarmungsvoll umfängt!

Christian Lehmann ist evangelischer Pfarrer in Walheim

Diesen Beitrag teilen