Ein berührender Erfahrungsbericht, wie gelebte Versöhnung aussehen kann – gerade wenn sie einseitig bleibt.

„So ist Versöhnung. So muss der wahre Friede sein“, diese Liedzeile trällerte ich als Kind sehr gerne in der Jungschar. Erst später sollte ich verstehen, dass dies ein Lebensthema für mich sein würde. Als Jugendliche bekam ich eine Stiefmutter. Ab diesem Zeitpunkt gab es viele Spannungen, unausgesprochene und für mich damals auch unverständliche Konflikte. Um eine augenscheinliche Harmonie zu wahren, sprachen wir nicht über diese Konflikte und die Schuldzuweisungen. Fast volljährig zerriss mich diese Atmosphäre und ich spürte, wie ich immer trauriger wurde. Halt fand ich in vielen Liedern Eines Tages bewegte mich eine Vertonung des Bibelverses: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern über
winde das Böse mit Gutem.“ (Röm 12,21).

Ich wusste, Gutes zu tun, hätte Argwohn bedeutet. Aber eines konnte ich tun, ohne Argwohn zu ernten: Beten. Ich bat Gott um Vergebung, wo ich als Heranwachsende Schuld auf mich geladen hatte und um die Möglichkeit der Versöhnung. Viele Jahre später kam es zu einem klärenden Gespräch unter guten Voraussetzungen. Ergebnis: enttäuschend. Es kam zu keiner Versöhnung, trotz der Bitte um Vergebung meinerseits. Die Last blieb gefühlt auf mir liegen und die Spannungen blieben auch noch lange nach dem Gespräch. Schmerzlich merkte ich: Zu einer Versöhnung gehören beide. Der Kontakt wurde einseitig komplett abgebrochen.

Ich will weiter hoffen und mich danach sehnen, dass Menschen auch in unseren Gemeinden wieder aufeinander zugehen, sich in die Augen blicken können und echte Versöhnung als Geschenk Gottes möglich ist, damit Wachstum erlebt werden kann.

Wieder Jahre später kam es mit einem anderen Christen zu einer ähnlichen Situation. Auch hier kam es zu
keiner Versöhnung, trotz mehrfacher Versuche. Ich zog mich innerlich zurück und hinterfragte meine Aufgaben und Glaubwürdigkeit in der Gemeinde. Die Angst vor Menschen und Beziehungen nahm zu. Und ich stand wieder vor der Entscheidung, an jedem einzelnen Tag: Von was lasse ich mich bestimmen? Wie kann ich trotzdem im Reinen sein und leben? So setzte ich mir dies zum Motto: Fang an, versöhnt zu leben, auch wenn der andere nicht reagiert und schlecht über dich redet. Bleibe freundlich und klar. Grüße trotzdem bei Begegnungen. „Segne, die dich verfluchen“ und höre nicht auf zu beten.

Es bleibt trotzdem ein Kampf und ein schweres Gepäck. Aber ich trage die Last nicht allein. Fest steht: Ich lasse nicht zu, dass dies mein Herz verhärtet sowie Bitterkeit und Menschenfurcht mein Herz zersetzen. Und ich will weiter hoffen und mich danach sehnen, dass Menschen auch in unseren Gemeinden wieder aufeinander zugehen, sich in die Augen blicken können und echte Versöhnung als Geschenk Gottes möglich ist, damit Wachstum erlebt werden kann.

Der Name der Autorin ist der Redaktion bekannt

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